Unter Druck

Nicht nur deutschen Blättern geht es schlecht – auch bei der „Irish Times“ wird entlassen. Begründung: Anzeigenschwund – und Missmanagement

aus Dublin RALF SOTSCHECK

Es hätte eine Erfolgsgeschichte werden können. Als Conor Brady 1986 Chefredakteur wurde, dümpelte das Blatt bei einer Auflage von gut 84.000 Exemplaren. Heute verkauft die Zeitung täglich mehr als 120.000 Stück – eine Steigerung von 43 Prozent. Jeder zehnte Ire liest die Irish Times, bei den Besserverdienenden sind es sogar 22 Prozent. Doch die Zeitung steckt in einer schweren Finanzkrise, sie muss neu strukturiert werden, der 53-jährige Brady tritt im Herbst zurück.

Die Krise ist hausgemacht. Zwar sind die Kosten gestiegen, die Einnahmen im Anzeigengeschäft wie überall in Europa eingebrochen. Doch eigentlich millionenschwere Finanzpolster hat die eigene Geschäftsführung verschleudert: Im vorigen Jahr kaufte man für 76 Millionen Euro eine Druckerei, die außer der Irish Times nichts anderes druckt.

Hinter der angekündigten Umstrukturierung verbergen sich knallharte Sparmaßnahmen. Neben dem Magazin zum Wochenende wird auch die aktualisierte Spätausgabe und die Bildungsbeilage gestrichen, der Wirtschaftsteil stark reduziert. Mehrere Auslandsbüros sind bereits geschlossen. 250 Leuten, darunter 112 Journalisten, hat man die freiwillige Kündigung mit Abfindungen schmackhaft gemacht. Zu denen, die bereits gegangen sind, gehört der Literaturredakteur und Schriftsteller John Banville („Athena“, „Newtons Brief“). 13 Millionen Euro spart man dadurch im Jahr. Die Qualität der Zeitung soll ab sofort mit einem Drittel weniger Personal gehalten werden – so jedenfalls die Hoffnung der Geschäftsführung.

Dabei war das Blatt vor allem seinen leitenden Angestellten gegenüber stets großzügig. Chefredakteur Conor Brady bekommt schätzungsweise 500.000 Euro im Jahr, er fährt einen blauen Jaguar und besitzt Häuser in Dublin, in seiner Heimatgrafschaft Offaly und in Südfrankreich. Das Gehalt der Verlagsdirektoren ist zwischen 1996 und 2000 um 70 Prozent gestiegen, 3,4 Millionen Euro sind dafür jedes Jahr fällig.

Eigenheim-Sponsoring

Und wenn es um Immobilien geht, lässt man sich ebenfalls nicht lumpen. Mindestens drei leitende Angestellte haben von Sonderkonditionen beim Hauskauf profitiert, zuletzt Geschäftsführer Louis O’Neill. Als er vor knapp drei Jahren pensioniert wurde, verkaufte ihm die Irish Times eine Villa im vornehmen Dubliner Stadtteil Sandymount für 145.000 Pfund, obwohl das Haus fast viermal so viel wert war. Bereits in den Jahren zuvor hatte O’Neill dort gewohnt. Mietfrei, versteht sich.

Nach den Personaleinsparungen müsse man künftig eben produktiver arbeiten, meint Brady, der das Blatt zu einer liberalen und auch für jüngere Leute interessanten Qualitätszeitung gemacht hat. Bisher hebt sich die Irish Times wohltuend von der Konkurrenz ab – auch wenn der Irish Independent von Heinz-Ketchup-Magnat Tony O’Reilly eine höhere Auflage hat. Als die Irish Times im 19. Jahrhundert gegründet wurde, war sie eine Zeitung für die anglo-irischen Protestanten, ihre Verbreitung war dementsprechend eingeschränkt. Erst mit der Modernisierung in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts und mit der Einführung eines Kulturteils, bei dem auch moderne Musik und Kunst vorkommen, erlangte das Blatt eine Bedeutung, die größer ist, als es die Auflage vermuten lässt. Die Irish Times ist Pflichtlektüre für Politiker und Geschäftsleute, und selbst in ländlichen Gegenden, wo die Zeitung noch vor 20 Jahren kaum erhältlich war, greifen heute viele zu.

Wie der britische Guardian, ist auch die Irish Times inzwischen als Stiftung organisiert. 1974 verkauften die fünf Eigentümer ihre Anteile an den Irish Times-Trust, um die Zeitung vor einer feindlichen Übernahme zu schützen. Der Trust verfolgt hehre Ziele: Die Zeitung soll sich für soziale Gerechtigkeit, für Toleranz und gegen religiöse Vorurteile und Diskriminierung einsetzen. Außerdem will man den medizinischen und den Bildungsbereich fördern und die Armut bekämpfen. Der Trust ist als gemeinnützig anerkannt, doch nennenswerte Spenden für die Durchsetzung der Ziele blieben bisher aus. Und: Eine Berufsgruppe ist ausdrücklich von einem Sitz im Trust ausgeschlossen, was einen Irish-Times-Mitarbeiter zu der Bemerkung veranlasste: „Das ist verrückt. Der Trust besitzt und leitet eine Zeitung, aber die einzige Berufsgruppe, die von der Mitgliedschaft ausgeschlossen ist, sind Journalisten.“