wenn schon ed, dann ed von schleck von WIGLAF DROSTE
:

Vier Wochen vor der Bundestagswahl wird es unangenehm. Zur-Wahl-Geher quatschen einen von der Seite an und versuchen, einen zum Staatsbürger zu degradieren. Das tun sogar Leute, die sonst viel klüger sind. Sie haben sich anstecken lassen von einer Panik, die sie als Politik ausgeben. Wenn Viola Roggenkamp in der taz das Wiederwählen der Regierungskoalition befiehlt, macht das überhaupt nichts – der Frau ist nicht zu helfen. Richtig nervig aber wird es, wenn eigentlich intelligente Leute die Stimme senken und raunen: „Ja, sicher, Schröder ist furchtbar, aber wir müssen ihn trotzdem wählen! Oder willst du vielleicht Stoiber? Willst du Beckstein als Innenminister?“ Politische Erpressung ist eine Geißel, wie private emotionale und moralische Erpressung eine ist.

Wenn Hysteriker „wir“ sagen, ist die Lüge unweigerlich mit im Boot. Eine lieb gewonnnene, hartnäckig immer wieder hervorgekramte Lüge ist die Lüge vom kleineren Übel. Sie funktioniert erstaunlich gut – nicht wenige lassen sich auf den letzten Drücker von dieser Lüge packen und an die Wahlurne schleifen, obwohl sie wissen, dass es nichts zu wählen gibt.

Betrachten wir kühl das Angebot: Edmund Stoiber sagt gern „Kompetenz“ und sogar „Kompetenzkompetenz“, womit er „die Kompetenz zur Kompetenz“ meint, „Kompetenzkompetenz“ eben. Was kann Edmund Stoiber? Zwanghaft sein und stammeln. Der ist so doof, den müsste es doppelt geben, wie Schulze und Schultze in Hergés Tim-und-Struppi-Comic, im Original Dupond et Dupont. Stoiber und Steuber, ramenternd: „Kompetenz, mein Lieber.“ – „Ich würde sogar sagen: Kompetenzkompetenz.“ Jeden Abend vor dem Einschlafen sage ich ein kleines Nachtgebet auf: Ich will keinen Ede Stoiber, dann gleich lieber Ed von Schleck.

Nur ist das eben überhaupt kein Grund, die niederträchtige Banalität Gerhard Schröders zu vergessen und zu legitimieren. Wie sein Vorgänger nennt Schröder sich „Der Kanzler“, anders als sein Vorgänger tritt er mit akustischen Folterknechten namens PUR auf. Wer noch einen Grund brauchte, den Mann nicht zu wählen, der müsste ihn spätestens damit haben.

Eine andere beliebte Lüge geht so: „Dem Mann wird von den Medien übel mitgespielt. Die schreiben den runter.“ Mit erwartbarer Miesheit attackiert die angeblich intelligente, im Zweifelsfall aber zuverlässig dummrechte FAZ Gerhard Schröder, weil er die Bereitschaft zum Mitmachen beim Krieg der USA gegen den Irak drosselt. „Antiamerikanismus!“, heißt es dann, „deutscher Sonderweg“, die Schreibtischsoldateska rotiert. Wäre Schröder der Mann, diesen kriegslüsternen Fritzfratzen ernsthaft entgegenzutreten, man könnte ihn ankreuzen. Aber er ist es bewiesenermaßen eben nicht.

Wie jeder Einzelne bin ich das Volk, bin ich der Souverän. Auf dem Markt werden angedötschte Salatköpfe feilgehalten – soll ich sie nehmen, nur weil Schröder, Stoiber, Westerwelle oder Fischer draufsteht? Ich bin, wie jeder, manchmal bescheuert. Aber so bescheuert dann doch nicht.