So retten Sie die Welt

von KATHARINA KOUFEN
und BERNHARD PÖTTER

1.Trinken Sie Krombacher.

Damit retten Sie den Regenwald, suggeriert die Brauerei. Sie spendet für jeden verkauften Kasten Bier Geld an die Umweltstiftung WWF. Die sichert davon den Nationalpark Dzanga-Sangha in der Zentralafrikanischen Republik. Allerdings ist die Aktion seit einem Monat vorbei. Deshalb nun im Ernst:

1 a. Schalten Sie nicht weg, wenn von Geld geredet wird!

Die Länder des Nordens haben vor zehn Jahren in Rio etwas versprochen: dem Süden zu helfen, wirtschaftlich auf die Beine zu kommen. Doch dann haben die Industriestaaten ihre staatliche Entwicklungshilfe nicht etwa aufgestockt, sondern von 58 Milliarden Dollar im Jahr 1992 auf 53 Milliarden Dollar im Jahr 2000 abgeschmolzen. Ohnehin würde der Abbau der Handelsschranken im Norden für die Produkte des Südens den Armen am meisten helfen. Jährlich 150 bis 200 Milliarden Dollar könnten die Entwicklungsländer so einnehmen, schätzt die Enquetekommission des Bundestages. Die Entwicklungsorganisation Oxfam kommt sogar auf 350 Milliarden Dollar.

2. Gehen Sie zu einem Sting-Konzert!

… oder zu ähnlichen Veranstaltungen, die das Thema globale Gerechtigkeit und Umweltschutz wieder so populär machen, wie es vor zehn Jahren die Rettung des amazonischen Regenwalds war. Die Jagd nach dem Millionengewinn in der New Economy und der auf den Aktiencrash folgende Katzenjammer haben in den letzten zehn Jahren die Themen Umwelt, Entwicklung und fairer Handel in den Hintergrund gedrückt. Ein paar Spotlights auf die Agenda des Johannesburger Gipfels können nicht schaden.

3. Unterstützen Sie Gruppen wie attac bei der Forderung nach globalen Steuern!

Berühmt ist inzwischen die Forderung nach der „Tobin-Tax“, die einen kleinen Teil des Geldes abschöpfen soll, das als Spekulationskapital um den Globus vagabundiert. Das Problem an der Tobin-Tax ist: Wer soll sie erheben? Wer verteilt das Geld? Und: Die Steuer kann nicht im Alleingang erhoben werden, weil Anleger ihr Geld sonst einfach in andere, steuergünstigere Länder bringen. Die meisten Industriestaaten halten die Tobin-Tax für nicht einführbar. Die USA etwa haben gefordert, dass das Wort nicht im Abschlussprotokoll einer im März abgehaltenen Entwicklungskonferenz auftauchen durfte, sonst wäre Präsident Bush angeblich nicht gekommen. In Deutschland sind sich das Finanzministerium und das Entwicklungsministerium uneins: Die Leute von Minister Eichel, in dieser Frage federführend, lehnen die Steuer ab. Ministerin Wieczorek-Zeul hingegen ist für die Tobin-Tax. Sie hat eine Machbarkeitsstudie erstellen lassen, die sogar zu dem Ergebnis kommt, die Steuer sei auch ohne die USA einführbar.

Einfacher und wirksamer wären da „Nutzungsentgelte“ für globale öffentliche Güter wie die Luft oder das Meer: eine internationale Abgabe auf Flugbenzin oder Schiffsdiesel, die von einer UN-Behörde erhoben wird. Das Geld könnte dafür eingesetzt werden, die Folgen des internationalen Transits, etwa die Klimaerwärmung, zu bekämpfen und zu begrenzen. Denkbar wäre auch eine Abgabe auf die Verschiffung gefährlicher Abfälle wie Gift und Atommüll oder auf Rüstungsexporte.

4. Werden Sie Förderer eines Verbandes, der die Stärkung internationaler Umweltorganisationen fordert!

Eines der größten globalen Umweltprobleme der letzten zehn Jahre ist die rasante wirtschaftliche Globalisierung. Sie wird vor allem von der Welthandelsorganisation WTO vorangetrieben. Auf der Gegenseite gibt es keine schlagkräftige internationale Umweltorganisation. Das UN-Umweltprogramm Unep etwa muss sich alle zwei Jahre seinen Etat neu zusammenbetteln (2001: 45 Millionen Dollar). Experten fordern eine Zusammenlegung der Unep mit der Entwicklungsorgansiation UNDP zu der UN-Behörde Global Environment Organisation GEO.

5. Schreiben Sie an Ihren Lieblingskonzern!

Fragen Sie nach, an welche sozialen und ökologischen Kriterien er sich im Ausland hält. Das große Thema der Umwelt- und Entwicklungsgruppen beim Johannesburger Gipfel heißt „Verantwortung der Unternehmen“. Da für transnationale Konzerne selten Regeln gelten, sollen sich die Unternehmen freiwillig bereit erklären, kein Öko- oder Sozialdumping zu betreiben. Kofi Annan hat das mit seiner Initiative „Global Compact“ mit ursprünglich vierzig Unternehmen versucht: Die Firmen können ihre Aktivitäten zur nachhaltigen Entwicklung ohne Prüfung von Kriterien darstellen. Inzwischen schmücken sich einige hundert Firmen mit dem UN-Logo und diesem Titel.

Die NGOs wollen mehr erreichen als nur eine Selbstverpflichtung der Konzerne: Sie wollen die Einhaltung geltender internationaler Umweltstandards festschreiben. Im Zweifel sollen diese Regeln vor- und nicht nachrangig sein. Außerdem sollen die Konzerne über eine Haftpflicht für die Schäden haften, die sie anrichten. Dass das nicht immer der Fall ist, hat Greenpeace in der Studie „Corporate Crimes“ nachgewiesen: Darin geht es um Umweltkatastrophen wie die Vergiftung des Flusses Theiß in Ungarn, für die nie jemand belangt wurde.

6. Wählen Sie am 22. September Politiker, die international Druck machen!

Deutschland hat einen Ruf als Vorreiter im internationalen Umweltschutz zu verlieren. Das Kioto-Protokoll hat Umweltminister Jürgen Trittin maßgeblich beeinflusst, und auch in Johannesburg wird die deutsche Delegation im Verbund mit den EU-Staaten auf Ergebnisse drängen.

Wenn Sie US-Bürger und Bush-Wähler sind, sollten Sie zur Rettung der Welt Ihre nächste Wahlentscheidung überdenken: Die USA haben schon vor dem Gipfel signalisiert, dass sie keinem bindenden Ergebnis von Johannesburg zustimmen werden. Aber vielleicht geht es ja auch ohne sie. Umweltschützer jedenfalls hoffen, dass die Entwicklungsländer nicht mehr von der Opec dominiert werden, dass die EU geschlossen auftritt und Länder wie Südafrika, Brasilien und Indonesien, die alle schon große UN-Konferenzen in ihrem Land abgehalten haben, kein Interesse am Scheitern des Gipfels haben.

7. Identifizieren Sie Ihre Gegner!

Wenn Sie nach Johannesburg fliegen, können Sie Ihren Gegnern wahrscheinlich die Hand schütteln. Beim Gipfel werden die Unternehmen und Lobbyverbände vertreten sein, die sich vor nichts mehr fürchten als vor einem Erfolg im Sinne der Umweltschützer. Vor allem die US-Wirtschaft übt massiven Druck auf ihre Regierung aus, sich nicht zu bewegen. So schreiben vierzig Lobbyisten, viele von ihnen im Sold des Ölmultis Exxon, in einem Brief an Präsident Bush: Das „unwichtigste Thema in Johannesburg ist die globale Erwärmung“. Das schlimmste Ergebnis für sie wäre eine einheitliche Weltumweltorganisation GEO.

8. Erklären Sie Ihren Freunden und Kollegen, dass Johannesburg kein Umweltgipfel ist!

Schon Rio 1992 war offiziell der „Gipfel für Umwelt und Entwicklung“. Wenn er in den Industriestaaten als „Umweltgipfel“ tituliert wurde, war das nicht nur eine Abkürzung: Traditionell will der Norden über Umweltschutz reden und der Süden über Entwicklung. Aber ohne Zugeständnisse an die Entwicklungsländer werden die Nordstaaten keine globalen Umweltziele erreichen. Was wiederum der Gruppe USA/Japan/Kanada/Australien gut passt. Ohne ein Eingehen auf die umweltpolitischen Forderungen des Nordens aber werden auch die Entwicklungsländer kaum größere Chancen für ihre Wirtschaft und bessere Lebensbedingungen erreichen. In diesem Spannungsfeld wird gefeilscht und gepokert. Im Übrigen können die reichen Länder auch nicht erwarten, dass die armen Länder ihre Volkswirtschaften auf saubere, nachhaltige – sprich: teurere – Weise entwickeln, wenn sie dabei keine Unterstützung erhalten. Auch die Industrieländer von heute haben sich auf Kosten der Umwelt entwickelt.