Gaddafi greift nach Afrikas Herz

Libyen will sich in Zukunft vor allem Afrika widmen und hat sich bereits in der Zentralafrikanischen Republik etabliert – zum Ärger Frankreichs und der USA. Die werden nun ihrerseits aktiv. Eine Kette von Stellvertreterkriegen in der Region bahnt sich an

von DOMINIC JOHNSON

André Kolingba teilt das Schicksal vieler Exdiktatoren Afrikas. Der frühere Militärherrscher der Zentralafrikanischen Republik wurde am 26. August in Abwesenheit zum Tode verurteilt, wegen Schürens einer Revolte gegen den heutigen Präsidenten seines Landes im Mai 2001. Nun hat Kolingba Asyl beantragt – in Uganda, wo er heute lebt und von wo aus er Kontakte zu Rebellen in der Heimat unterhält.

Ugandas Regierung sieht darin kein Problem, aber das heißt nicht, dass es keines ist. Denn Uganda ist einer der engsten Verbündeten der USA in Afrika. Die Regierung der Zentralafrikanischen Republik wiederum wird gestützt von Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi. 100 libysche Soldaten stehen in der Hauptstadt Bangui, und seit Juli ist Libyen in der Diamantenförderung und der Ölsuche in der Zentralafrikanischen Republik aktiv. Unter den 623.000 Quadratkilometern des Landes, in dem weniger als vier Millionen Menschen leben, werden riesige Mineralienvorkommen vermutet, ähnlich wie im südlichen Nachbarland Demokratische Republik Kongo. Dort hat Gaddafi schon Geschäftsverbindungen aufgebaut, vor allem über seinen Freund Robert Mugabe, den Präsidenten von Simbabwe, dessen Armee Kongos Regierung stützt.

Die Kriege zwischen afrikanischen Mächten um Einflusssphären im Kongo dienen nun offenbar als Modell für andere Länder. Immer öfter – zuletzt am libyschen Revolutionstag 1. September – betont Gaddafi, sein Augenmerk gelte jetzt Afrika. Das bereitet nicht nur den USA Sorgen, sondern auch Frankreich, das bis 1998 eigene Soldaten in der Zentralafrikanischen Republik stehen hatte. Denn die Achse Gaddafi-Patassé, die vom Sudan gestützt wird, bedeutet eine Einkreisung des Tschad, in den 80er-Jahren Schauplatz eines französisch-libyschen Krieges und heute Ort eines der größten Ölförderprojekte Afrikas.

Frankreichs Präsident Jacques Chirac legte am vergangenen Sonntag auf dem Weg zum UN-Gipfel in Johannesburg einen Zwischenstopp im Tschad ein, um dem dortigen Präsidenten Idriss Déby den Rücken zu stärken. Frankreich sei der „wichtigste Partner“ des Tschad, sagte Chirac und verkündete den Ausbau der Beziehungen.

Dies tat er nicht ohne Hintergedanken, denn Tschad, wo 800 französische Soldaten stehen, ist in den letzten Jahren stark unter US-Einfluss geraten. Ein US-geführtes Konsortium richtet derzeit gigantische Ölfelder im Süden des Landes ein; nach Angaben der tschadischen Opposition sind dort auch US-Militärberater aktiv. Die Regierung der Zentralafrikanischen Republik wiederum hat den pensionierten französischen Militär Paul Barril, Held vergangener Söldnerkriege in Afrika, als „Berater für Terrorismusbekämpfung“ eingestellt.

So bahnt sich ein Dreieckskonflikt zwischen libyschen, französischen und US-amerikanischen Interessen an. Eine Kette von Stellvertreterkriegen zieht sich bereits von der Sahara-Wüste ins Kongo-Becken, entlang der Linie Libyen-Tschad-Zentralafrika-Kongo. Im Norden des Tschad kämpfen von Libyen unterstützte Rebellen; ihr Führer Youssouf Togoimi befindet sich seit dem 27. August in einem libyschen Krankenhaus, nachdem eine Mine der Regierungstruppen ihm die Beine zerfetzte. Im Norden der Zentralafrikanischen Republik kämpfen vom Tschad unterstützte Rebellen unter Kommando des ehemaligen zentralafrikanischen Generals Francois Bozizé, der tschadisches Asyl genießt. Gegen sie hat die zentralafrikanische Regierung einen ehemaligen tschadischen Rebellenführer eingesetzt, Abdoulaye Miskine. Und den Norden des Kongo beherrscht die Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung), deren Führer Jean-Pierre Bemba seine alten Loyalitäten gegenüber Uganda und den USA seit einiger Zeit gegen frankophone Verbindungen eingetauscht hat. Seine Truppen sind dem zentralafrikanischen Präsidenten Patassé schon mehrmals zu Hilfe geeilt.

Eine Befriedung der Region ist nicht in Sicht. Keine der betroffenen Regierungen ist stark genug, um ihr Staatsgebiet zu beherrschen, aber jede ist auf das Ausland angewiesen, um ökonomisch zu überleben. Je größer das ausländische Interesse an den Rohstoffen Zentralafrikas, desto verhärteter die Fronten.