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: Endlich wird es wieder langweilig

Mit wie viel Wendetamtam, mit wie viel Emotion hatte das ÖVP-FPÖ-Regierungsexperiment vor zweieinhalb Jahren begonnen? Staatskrise, Europakrise, hunderttausende auf den Straßen – Wolfgang Schüssel hat alles in Kauf genommen. Die Wende war auch eine Zeitenwende.

Kommentarvon ROBERT MISIK

Welch ein Kontrast nun das Chaos, in dem Schüssels Regierung unterging. Das Publikum staunt, und am Ende sind fast alle, die entschiedenen Gegner, aber auch die meisten Parteigänger dieser Regierungskoalition, einfach froh, dass es endlich vorüber ist. Freudentänze führt niemand auf. Nur die Geschichte, die listige, hat wieder einmal ihre Fähigkeit zu dialektischen Volten bewiesen.

Denn Schüssel wollte den unaufhaltsamen Aufstieg der Freiheitlichen stoppen, indem er sie bändigt. Sie dazu zwingt, sich zu häuten, sich von der oppositionellen Radaupartei zu einer relativ normalen, rechtsliberalen Regierungspartei zu reformieren. Er wollte sie zähmen, um einen Partner für eine Rechtsregierung zu haben. Schüssel hat nun tatsächlich die populistische Kraft gebrochen – indem er die Freiheitlichen der Spannung zwischen Regierungszwängen und den Instinkten der populistischen Revolte so lange aussetzte, bis sie daran zerbrach, bis sein Regierungspartner implodierte. Möglich, dass Schüssel nun wie ein tragischer Held mit den Freiheitlichen untergeht. Hinter Schüssels Rücken, anders als von ihm intendiert, vollzog sich nun ein historischer Sinn in seinem Tun: die Freiheitlichen sind diskreditiert, und das für lange.

Die Dramen, die jetzt noch folgen mögen, werden die Rückkehr der Normalität markieren: Neuwahlen im November, Gewinne für Sozialdemokraten, auch für Schüssel und seine Volkspartei, für die Grünen – allesamt zulasten der freiheitlichen Chaostruppe. Den Namen des künftigen Bundeskanzlers kann sich, wer will, schon mal merken: Alfred Gusenbauer, Vorsitzender der Sozialdemokraten. Der ist zwar tapsig und wahrlich kein Political Animal. Doch wird er es jetzt kaum mehr verhindern können, dass ihm die Macht in den Schoß fällt. Die künftige Regierungsform: Rot-Grün oder Rot-Schwarz. Eigentlich ist das aber egal. Denn das Wichtigste ist: Bald wird Österreichs Innenpolitik wieder langweilig. Man wird hier leben können, ohne permanent von der Regierung belästigt zu werden. Es wird, wie das in entwickelten Demokratien üblich ist, wieder mehr oder weniger egal sein, wer regiert. Und das wird wunderbar sein.