RUSSLAND WILL SICH SELBST VERTEIDIGEN – IM NACHBARLAND GEORGIEN
: Angriff als Verteidigung

Georgien muss sich vorsehen: Folgt die Kaukasusrepublik nicht den Wünschen des übermächtigen Nachbarn Russland und räumt das Pankisital von tschetschenischen Rebellen, dann wird Moskau die Angelegenheit selbst in die Hand nehmen – souveräner Staat hin oder her! Denn Russland fühlt sich bedroht, im Süden von Georgien und im Norden – so ließe sich ergänzen – von dem kleinen Estland. Lachhaft, könnte man meinen, wenn es nicht so traurig wäre. Wie tief ist das Selbstbewusstsein der ehemaligen Supermacht gesunken, die sich doch seit der Amtsübernahme Wladimir Putins wieder so stolz und selbstbewusst präsentiert?

Statt sein Land fit zu machen für das 21. Jahrhundert, ist Russlands Präsident längst wieder in geopolitische Sandkastenspiele zurückgefallen. So verspricht Putin den aufmüpfigen Generälen einen kleinen Waffengang gegen den verhassten Nachbarn Georgien, statt – wie einst versprochen – den plumpen Dinosaurier Armee zu reformieren und zum Abspecken zu zwingen. Reflexe, die nichts Gutes verheißen und eher darauf verweisen, dass Putin nicht der starke Mann ist, für den man ihn gemeinhin im In- und Ausland hält.

Sicher, noch ist Russland nicht in Georgien eingefallen. Aber Moskau sucht nicht erst seit dem 11. September vergangenen Jahres einen Anlass für einen Präventivkrieg und lässt seitdem kaum eine Gelegenheit verstreichen, auf die Vorreiterrolle der USA im Kampf gegen den Terror hinzuweisen. Hoffnungen, im Windschatten der Antiterrorkoalition wieder einen Fuß in die Tür zum Transkaukasus zu setzen, sind aus russischer Sicht verlockend und nachvollziehbar. Die imperialen Holzköpfe in Moskau begreifen jedoch nicht, dass sie sich damit übernehmen und einen weiteren Nagel in den eigenen Sarg schlagen. Letztendlich hängt es somit allein von Washington ab, ob Russland das selbstmörderische Georgienabenteuer wirklich wagt.

Sollten die USA Wert auf Zustimmung oder zumindest Stillhalten Moskaus bei einem Irakfeldzug legen, wäre die Möglichkeit eines Kuhhandels gegeben. Genau davor haben die Georgier höchst praktische Angst. KLAUS-HELGE DONATH