Für eine nationale Bildungsstiftung

Sie könnte Schulen und Hochschulen bundesweit fördern – und dabei die Kulturhoheit der Länder respektieren

Die Pisa-Studie hat die Bildungspolitik nur vorübergehend in die Schlagzeilen des Wahlkampfs gebracht. Die Öffentlichkeit nahm den deutschen Rückstand in Bildung und Wissenschaft wie die Unterschiede zwischen den Bundesländern wahr: als Sensation.

Dabei sind Deutschlands Defizite lange bekannt. Die deutsche Schule produziert nicht allein unterdurchschnittliche Leistungen – etwa in der Lesekompetenz, der Mathematik, in den Naturwissenschaften oder bei der Anwendung des Erlernten im Alltag. Das Urteil fällt, betrachtet man das Bildungs- und Wissenschaftssystem als Ganzes, noch negativer aus. Im Vergleich zu wichtigen OECD-Staaten, etwa den USA, Südkorea, Finnland oder Schweden, liegen wir – unter anderem – beim Anteil der Studierenden und bei der Hochschulfinanzierung weit zurück.

Wie ließe sich dem abhelfen, ohne sich gleich in den vielen Fußangeln des Bildungsföderalismus zu verheddern? Bund und Länder können nur im gemeinsamen Handeln eine Reform zustande bringen. Ein auf den ersten Blick ungewöhnliches, in Wahrheit aber nahe liegendes Modell könnte hilfreich sein: eine nationale Stiftung für Bildung und Wissenschaft. Vorbilder, wie etwa die nationale Kulturstiftung, gibt es bereits.

Eine solche Stiftung hat einen entscheidenden Vorzug: Sie kann Bildung und Wissenschaft als innovativen Kern einer Gesellschaft fördern – und zwar im ganzen Land, von Rostock bis Gera, von Kiel bis Garmisch-Partenkirchen. Punktuelle Ansätze können das nicht leisten.

Schluss mit dem üblichen föderalen Hickhack

Die neue Stiftung kann – jährliche und einmalige – Förderleistungen von Bund, Ländern und Privaten zusammenführen. In den Stiftungsorganen sollten alle diese Partner vertreten sein. Ein vom Bundespräsidenten berufener Sachverständigenrat würde die Programmschwerpunkte und die Förderbedingungen, etwa über bundesweite Wettbewerbe, maßgeblich mitbestimmen. Die Sachverständigen wären zugleich für den nationalen Bildungsbericht zuständig. So ließen sich jene starren, schematisch auf die Länder bezogenen Verteilungsschlüssel vermeiden, die wir von manch komplizierter Bund-Länder-Vereinbarung kennen. Neue Förderinitiativen wären also leichter umzusetzen, als es im üblichen Hickhack zwischen Bund und Ländern häufig der Fall ist.

Förderprogramme könnten sich, um Beispiele zu nennen, im Hochschulbereich auf die Einrichtung von Centers of Excellence richten, sie könnten die internationale Zusammenarbeit wie an der Europa-Universität in Frankfurt/Oder fördern oder neue Arten der Hochschulfinanzierung erproben – zum Beispiel in einer Stiftungsuniversität.

Der Bund verfügt in der Wissenschaft über einen Kompetenzschwerpunkt. Das ist zu berücksichtigen, wenn die Aufgaben für die neue Stiftung gestaltet werden. Der Bund hat dann – nach dem Modell der Hochschulsonderprogramme – die Möglichkeit, die Länder bei der Wissenschaftsförderung zu entlasten und so bei den Ländern Ressourcen freizusetzen, die helfen können, das Schulsystem zu verändern und zu verbessern. Die Förderinitiativen der Stiftung können zu diesem Zweck mit Kriterien verbunden werden, entlang derer die Länder eigenständig Reformen auf den Weg bringen und die finanzielle Ausstattung verbessern.

Für die Errichtung einer neuen nationalen Stiftung wäre keine Verfassungsänderung nötig. Die vom Bundeskanzler geforderte Rahmenkompetenz im Schulbereich etwa setzt eine Grundgesetzänderung voraus, für die Zweidrittelmehrheiten im Bundestag und im Bundesrat erforderlich sind, eine Hürde, die in absehbarer Zeit wohl kaum ein bildungspolitischer Akteur überspringen kann.

Der Übergang in die Wissensgesellschaft verlangt besondere Reformanstrengungen. Mehr als bisher ist Chancengleichheit zu verwirklichen. Das heißt: mehr Schüler zum Abitur zu führen, ihre Talente voll auszuschöpfen und ihre Leistungen zu verbessern. Für Parteienformationen wie SPD oder Grüne liegen darin Risiken – und Chancen.

Chancen eröffnen sich mit dem Aktionsfeld „Bildung und Wissenschaft“ vor allem deshalb, weil damit ein zentraler Modernisierungsansatz für eine Politik angesprochen wird, die sich am Ziel von „Innovation und Gerechtigkeit“ orientiert. Reformorientierte Bildungs- und Wissenschaftspolitik stößt andererseits auf größere Hindernisse als strukturkonservative Positionen. Denn die Spannung zwischen bildungspolitischer Modernisierung in ganz Deutschland und dem Beharrungsvermögen unseres föderativen System stellt Reformer stets vor größere Herausforderungen.

Zwischen den beiden damit beschriebenen Optionen wird sich nach dem 22. September, ein entsprechendes Wahlergebnis vorausgesetzt, eine rot-grüne Regierung rasch zu entscheiden haben. Wer den seit 1998 verfolgten Ansatz – die kontinuierliche Mittelsteigerung für Bildung – wirksam weiterverfolgen will, wird um eine nationale Stiftung für Bildung und Wissenschaft kaum herumkommen. KLAUS FABER

Der Autor leitet das Wissenschaftsforum der SPD in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern