Bush gibt erst Frieden für Öl

Auch nach dem Einlenken Iraks stellt Washington immer neue Forderungen. Ziel sind die Beseitigung Saddams und damit neue Ölverträge mit Bagdad

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Mit ihrer erklärten Bereitschaft, die Waffeninspektoren der UNO (Unmovik) „ohne Bedingungen“ ins Land zu lassen, hat die irakische Regierung eine Reihe von durchaus legitimen Forderungen aus ihren bisherigen Verhandlungen mit UN-Generalsekretär Kofi Annan fallen gelassen. Dabei ging es um den Zeitplan für die Veröffentlichung künftiger Inspektionsergebnisse sowie um die Besetzung der Unmovik, deren Vorgänger Unscom von US- und britischen Militärs und Agenten zu Spionagezwecken missbraucht worden war. Der Irak befürchtet hier eine Dominanz durch US- und britische Militärs und Agenten.

Dass damit die Gefahr eines erneuten Irakkrieges keineswegs gebannt ist, zeigen die Reaktionen aus Washington und London. Dort wurde die Erklärung aus Bagdad bereits wenige Stunden nach ihrer Veröffentlichung als „Zeitschinderei“ und „taktisches Manöver“ abgetan. Ob das stimmt, kann nur die schnelle Probe aufs Exempel zeigen.

Bushs Forderungen

Die Unmovik ist seit Wochen einsatzbereit. Ihr Vorausteam könnte bereits in den nächsten Tagen nach Bagdad fliegen. Doch dieses Szenario wird nur Realität, wenn die bislang nur rhetorisch kriegsunwilligen europäischen Staaten, gemeinsam mit Russland und China, alle über die Resolutionen 1.284 und 687 hinausgehenden Zusatzbedingungen abblocken, die Washington jetzt im Sicherheitsrat durchsetzen will. Die Resolution 1.284 vom November 1999 ist die Grundlage für die Arbeit der Unmovik; die Resolution 687 zum Ende des Golfkriegs im April 1991 ordnete die Verschrottung aller irakischen Massenvernichtungswaffen unter internationaler Kontrolle an.

Die Bush-Administration verlangt nun von Bagdad, alle nicht vollständig erfüllten Forderungen aus anderen Irakresolutionen des Sicherheitsrates zu erfüllen, etwa die Aufklärung des Schicksals aller noch vermissten kuwaitischen Gefangenen aus dem Golfkrieg. Außerdem will sie einen robusten militärischen Begleitschutz für die Unmovik, um die Arbeit der Inspektoren vor Ort notfalls auch gegen Behinderungen durch irakische Sicherheitskräfte wie vor 1998 durchzusetzen.

Über dieses Thema braucht der Sicherheitsrat aber erst zu diskutieren, wenn Bagdad bei den jetzt anstehenden Gesprächen mit dem Unmovik-Vorausteam neue Bedingungen formulieren sollte, die nicht konform mit den Resolutionen 1.284 und 687 sind, oder wenn die irakische Regierung die Waffeninspekteure bei ihrer Arbeit behindert.

Die Front bröckelt

Doch ist wenig wahrscheinlich, dass Europäer, Russen und Chinesen im Sicherheitsrat jetzt einen Konflikt mit den USA eingehen. Sie begrüßten Präsident Bushs letztwöchige Rede vor der UNO-Vollversammlung als eine Rückkehr der USA auf den Pfad der multilateralen, völkerrechtskonformen Tugend. Tatsächlich war diese Rede aber ein nur kaum verhülltes Ultimatum an die UNO, in der Irakfrage entweder nach der Pfeife Washingtons zu tanzen oder künftig von den USA noch mehr marginalisiert zu werden als bisher.

Die rein rhetorische Ablehnungsfront gegen einen neuen Krieg am Golf dürfte bereits in der kommenden Woche weiter bröckeln. Deutschland wird sich militärischen Maßnahmen gegen den Irak unter einem UN-Mandat kaum verschließen können, egal wer die Bundestagswahl gewinnt. Am Dienstag wird dann die britische Regierung ihr seit langem angekündigtes „Beweisdossier“ veröffentlichen, das die „akute Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen“ ebenso belegen soll wie Bagdads „Unterstützung für den internationalen Terrorismus“.

Unabhängig davon, wie stichhaltig diese Beweise ausfallen: Allein der Vorgang als solcher dürfte die gewünschte Wirkung auf die öffentliche Meinung kaum verfehlen. Ähnlich erfolgreich verfuhr die Regierung Blair im Oktober 2001 mit Blick auf die Hintermänner der Anschläge vom 11. September.

Letztlich geht es der Bush-Administration vermutlich überhaupt nicht um Beweise und die Durchsetzung von Waffeninspektionen im Irak. Ihr Ziel – dafür gibt es viele Indizien – ist die Beseitigung Saddam Husseins und die Installierung eines neuen Regimes, das die Ölverträge Bagdads mit russischen, europäischen und chinesischen Konzernen annulliert und stattdessen Verträge mit US-Firmen abschließt.

Das wäre Teil einer strategischen Neuordnung des Nahen Ostens, für die der in Washington heute wieder sehr einflussreiche ehemalige Vizechef des Pentagon, Richard Perle, bereits 1996 die Blaupause schrieb. In einem Beratungspapier für den damals frisch gewählten israelischen Premier Benjamin Netanjahu empfahl Perle damals als ersten Schritt der strategischen Neuordnung die inzwischen erfolgte Zerstörung des Oslo-Friedensprozesses zwischen Israel und den Palästinensern. Der anzustrebende Machtwechsel in Bagdad werde dann den Kollaps der regierenden Baath-Partei in Syrien beschleunigen. Damit gerate der Libanon wieder unter Kontrolle Israels und der USA.

Die in Folge des 11. September eingetretene Entfremdung zwischen den USA und Saudi-Arabien wurde von Perle 1996 ebenso antizipiert wie ein Sturz der Monarchie in Riad durch die islamistische Opposition. Die bisherige Rolle Saudi-Arabiens als wichtigster Partner der USA in der Region neben Israel und als verlässlicher Öllieferant müsse dann künftig der Irak übernehmen.