Der Trash der frühen Jahre

Die drei Hauptdarstellerinnen des Russ-Meyer-Films „Faster Pussycat! Kill, Kill!“ berichteten in Zürich über ihr Leben nach diesem Film

Nein, nicht ein Gramm Silikon, sagt Tura Satana und deutet auf ihr Dekolletee: „What you see is what you get.“ Filmretrospektiven müssen keinen trockenen Seminarcharakter haben. Am Samstag waren die drei Hauptdarstellerinnen des Russ-Meyer-Films „Faster Pussycat! Kill, Kill!“ in Zürich und berichteten über die Dreharbeiten und ihr unbekanntes Leben nach dem Film. Im voll besetzten Kino Uto waren zumeist Endzwanziger bis Mittdreißiger erschienen, um sich mit den Darstellerinnen auf die Suche nach der verlorenen Zeit der Sechzigerjahre zu begeben.

Einen „Rolls Royce des Trashfilms“ hatte John Waters „Faster Pussycat“ einst genannt und so seine Rehabilitation als Kultfilm angeschoben. Sosehr die drei Frauen daraufhin mit ihrem rüpelhaften Seximage zu Ikonen der späten Punkkultur wurden, so undeutlich verlief ihre Spur nach „Faster Pussycat“. Mit dem reißerischen Slogan „Eine Ode an die Gewalt der Frauen“ hatte Meyer das damalige Filmplakat überschrieben und nebenher ein Image entfesselt, das die Nachgeschichte der Darstellerinnen überstrahlen sollte. Dabei erscheint die Vorgeschichte zu „Faster Pussycat“ weniger als Resultat einer außergewöhnlichen Vision denn als Abfolge ernüchternder Pragmatismen.

Als von Hollywood unabhängiger Produzent hatte Russ Meyer 1959 mit „The Immoral Mr. Teas“ erstmals Nacktszenen ins Zentrum eines Films gerückt und einen durchschlagenden kommerziellen Erfolg verbuchen können. Doch schnell hatte sich der Reiz nackter Haut abgenutzt. Meyer entschied sich daraufhin für mehr Gewalt. In „Mudhoney“ (1965) fungierte Gewalt jedoch weniger als voyeuristischer Selbstzweck, vielmehr war sie ein Medium, um in sozialrealistischer Tradition die Lebensverhältnisse der amerikanischen Provinz zu schildern. Obwohl Meyers von Kritikern gelobter Film kommerziell ein Fiasko war, folgte auch „Faster Pussycat“ dieser Vorgabe. Allerdings kehrte er das Täter-Opfer-Schema ins Gegenteil: Zeigte „Mudhoney“ noch Frauen in der Opferrolle männlicher Aggression, waren es bei „Faster Pussycat“ die Frauen, die die Männer drangsalierten – und im Zweifelsfall zuschlagen konnten. Und an diesem Punkt wird die Geschichte Meyers zur Geschichte seiner Hauptdarstellerinnen, insbesondere zu der Karate beherrschenden Tura Satana.

Nun standen sie da auf der Bühne des Uto-Kinos: Ikonen der Popkultur als Damen in ihren mittleren Sechzigern. Begeistert und erwartungsvoll war der Applaus – eine späte Genugtuung, denn in den Sechzigern war auch „Faster Pussycat“ ein Flop und lange vergessen. Haji, im Film eine schwarzhaarige Mexikanerin, hatte rotes Haar und wirkte noch immer am zurückhaltendsten. Der blonden Lori Williams war das Alter am wenigsten anzusehen. Ihre Ausstrahlung verriet Abstand zur Sache, ohne aber je zu befremden. Die fülliger gewordene Tura Satana trug unverändert die schwarze Ponyfrisur des Films und überzeugte durch Schlagfertigkeit.

Die Show begann mit den markantesten Szenen des Films, die die Schauspielerinnen mit kaum vermindertem Druck nachspielten. Wo der Körper nicht mehr mitmachte, half der Humor aus: Charmant beließ man es bei einer Rangelei statt jener Prügelszene zwischen Lori Williams und Haji aus der Anfangssequenz. Die Mischung aus Abstand zum eigenen Image und Stolz darauf, Teil eines Kultfilms zu sein, prägte auch die anschließende Fragerunde. Lori Williams, die schon vor „Faster Pussycat“ Schauspielerin war, erzählte, dass sie von Russ Meyers Tätigkeit als Softsexfilmer erst nach Beendigung der Dreharbeiten erfuhr und „Faster Pussycat“ lange aus ihrer offiziellen Biografie gestrichen hatte. Haji, die als ehemalige Stripperin für den Film entdeckt wurde, hatte nach den Dreharbeiten ins Filmfach gewechselt und für Russ Meyer Schauspieler gecastet.

Wie im Film, so war es auch an diesem Abend die achtfache Großmutter Tura Satana, die am meisten Charisma ausstrahlte. Sie erzählte von ihrer Liaison mit dem jungen Elvis während der Fünfzigerjahre und deutete den Rassismus an, der ihr während des Zweiten Weltkriegs als Tochter einer Indianerin und eines Japaners auf den Straßen Chicagos entgegenschlug. Ihr kraftvolles Image im Film, so Satana, sei nur zum Teil Schauspielkunst gewesen, blickte sie doch als ehemalige Anführerin einer Chicagoer Mädchengan auf prägende Einflüsse. Vielleicht lag es an ihrer langjährigen Tätigkeit als Krankenschwester, dass ihre Ausführungen weniger durch Härte einschüchterten als durch intelligenten Humor unterhielten.

Ob sie etwas vermisse in ihrem Leben, wurde sie gefragt. Nein, war die Antwort, sie bereue nichts, sie habe als junge Frau außergewöhnliche Dinge getan und nun, zusammen mit Williams und Haji, mache sie es eben noch immer.

NILS MICHAELIS