Sexismus and the City

DAS SCHLAGLOCH    von VIOLA ROGGENKAMP

Welche Feministin möchte sich in einem Boot wiederfinden mit Männern wie Haider oder Schill?

Herr Kimmel sagt über seine Geschlechtsgenossen: Männer fühlen sich schlicht normal. (US-Soziologe und Profeminist in der taz vom 6. 9. 2002)

Ein junger Mann kommt mit seinem Wagen frontal auf mich zu. Er will innerhalb der Straße wenden und fährt mir auf dem Bürgersteig fast die Füße ab, ich kann zu keiner Seite ausweichen und schreie aus meinem Schreck heraus: Idiot. Sein Wagenfenster ist offen. Ich will über die Straße und sehe in ein von Hass verzerrtes Gesicht. Er lässt mich nicht vorbei. Ich weiche rückwärts, je nachdem ob ich vor oder hinter seinem Auto die Straße zu überqueren versuche. Er beschimpft mich. Ich soll mich bei ihm entschuldigen. Ich habe gewagt, ihn Idiot zu nennen. Frauen, Männer kommen heran, gehen weiter, drehen sich kurz um.

Schon zwanzig Minuten lang dauert diese Bedrohung. Ein anderer Wagen kommt in der engen Straße entgegen. So muss er kurz halten, und ich entwische ihm. Aus dem Wagenfenster brüllt er mir nach: Wenn er mich morgen noch in der Stadt antreffe, bekäme ich was auf die Fresse. Erst der übernächste Tag ist mein Abreisetag. Ich befinde mich in einer ostdeutschen Kleinstadt. Ich bin nicht von hier. Ich habe gewagt, ihn Idiot zu nennen, ich bin für diesen jungen Ostdeutschen erkennbar eine Frau, älter als er, eine Frau aus dem Westen.

Zurück in Hamburg gehe ich durchs Schanzenviertel, einen Stadtteil, der wegen seiner so genannten Farbigkeit in so genannten Szene-Reiseführern empfohlen wird. Kurzum, hier leben viele muslimische Familien, viele deutsche Junkies und viele deutsche autonome Antifaschisten. Der Bürgersteig ist bedeckt mit Hundescheiße, Bierdosen und Papier. Ich muss auf meine Schritte achten. Außerdem gibt es hier ein sehr gutes portugiesisches Restaurant. Dorthin will ich. Aus einer Toreinfahrt kommt auf seinem Fahrrad ein junger Mann herausgeschossen. Er reißt mir fast die Nase und die Brille aus dem Gesicht. Er schleudert, rutscht. Er fängt sich. Von ihm kein Wort des Schreckens und der Entschuldigung. Das Herz schlägt mir im Hals. Idiot, sage ich, um Luft zu bekommen. Ich sehe ihn an. Ein junger Mann auf seinem Rennrad, starr vor Hass auf mich und voller Verachtung. Kein Zweifel, dass er mich schlagen möchte. Ich befinde mich in einer westdeutschen Großstadt. Ich bin von hier. Ich habe gewagt, ihn Idiot zu nennen, ich bin für diesen jungen Muslim erkennbar eine Frau, älter als er, eine Frau aus dem Westen.

Am besten gleich in die Eier treten, empfiehlt Oriana Fallaci. Ich habe das noch nie gemacht. Der eine saß im Auto. Der andere auf seinem Fahrradsattel. Hoffentlich funktioniert das auch. Und wenn ich daneben trete? Gibt der mir eine zweite Chance? Darf ich bitte noch mal?

In ihrem Buch „Die Wut und der Stolz“ ruft die italienische Publizistin Oriana Fallaci auf zum Widerstand des Westens gegen den so genannten „heiligen“ Krieg, den sie nicht als Aktion einiger islamischer Fanatiker begreift, sondern als bedrohliche Massenbewegung gegen unsere Demokratie, unsere Kultur, unser Wissen und dazu als eine bedrohliche Männerbewegung gegen jede selbstbestimmte Frau. Das Buch schäumt vor Wut und ist weit entfernt von Political Correctness. Der Publizist Alan Posener hält dieses „intolerante, ungeduldige, ungerechte, einseitige, zuweilen kleinliche, ausgesprochen kritisierenswerte Pamphlet für das Gründungsdokument eines europäischen Liberalismus, der diesen ehrenvollen Namen wieder verdienen könnte“.

Fallacis Buch steht inzwischen auch in Deutschland auf Bestsellerlisten. Frauen und Männer sollten es lesen: Frauen unbedingt. Ich habe feministische Publizistinnen aus Deutschland und Österreich auf Fallacis Buch angesprochen, Frauen aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen. Sie hatten es weder schon gelesen noch gekauft, sie winkten mokant lächelnd ab.

Das Buch ist imstande, die politisch korrekteste Feministin zu erschüttern. Es ist imstande, der politisch korrektesten Feministin erinnerlich zu machen, dass sie selbst manches von dem, was da geschrieben steht, auch schon gefühlt und gedacht und sich zu fühlen und zu denken verboten hat. Keine Feministin möchte Rassistin sein. Rassismus ist der Zwilling des Sexismus. Welche Feministin möchte sich in einem Boot wiederfinden mit Männern wie Haider, Möllemann, Schill oder Ussama Bin Laden? Ich hoffe: keine. Und mit Feministin meine ich jede Frau, jedes Mädchen, die ihr Leben leben will, ohne von Männern und ihren ergebenen Frauen kontrolliert und bedroht zu werden.

In Frankreich lassen junge Araber ihrem Hass auf Juden freien Lauf und rechtfertigen ihre Taten mit ihrer propalästinensischen Haltung. Sie sind Kinder der eingewanderten Eltern aus ehemalig französischen Kolonien, sie sind arm, unzufrieden und begegnen auf Schritt und Tritt Frauen, denen es besser geht. Diese jungen Männer äußern bei jeder Gelegenheit auch ihren massiven Frauenhass. Der Kalif von Köln und seine Anhängerschaft argumentieren bis heute nicht anders, sie sind antisemitisch und misogyn. Jahrelang hat sich niemand die Mühe machen wollen, die Hasstiraden aus Köln ins Deutsche zu übersetzen. Man wusste es, ohne wissen zu wollen. Was verleugnet wird, ist immer auch bekannt. Eine Abwehr, die eine verheimlichte Komplizenschaft ist, die verleugnet wird wie das verleugnete Wissen.

Dazu passt, dass die arabische Presse zu Vorgängen in Israel so gut wie nie zitiert wird in deutschen Medien. Man sollte sie regelmäßig zitieren. Dem vorgeschoben ist das Argument, diesem Judenhass keinen Platz einzuräumen, tatsächlich verleugnet und verborgen wird die haarsträubende antijüdische Hetze, die der faschistischen Nazisprache nicht nachsteht. Das macht sich nicht gut im Bild des Muslim als Opfer. Der Muslim als Opfer des kapitalistischen Westens (inklusive Israel) ist eine favorisierte Spiegelung von Westlern, die sich für antifaschistisch halten.

Ich bin für diesenjungen Muslim erkennbar eine Frau, älter als er, eine Frau aus dem Westen

Wir können uns informieren, es ist nicht mehr einfach, einseitig zu argumentieren, und gerade da kommt dieses Buch von der Fallaci, dieser schönen, alten, italienischen Megäre, die so rasend einseitig ist und dadurch der Seite Stimme gibt, die der bessere Mensch des Westens – Frau wie Mann – von sich abgespalten hat.

Man möchte so nicht sein, wegen Europas faschistischer Vergangenheit. Man möchte tolerant sein und toleriert die faschistischen Kräfte einer Gesellschaft, in der die Wichtigkeit des Mannes abhängig ist von der totalen Versklavung der Frau. Familie und Clan stützen sich in jedem Patriarchat auf die faschistoide Selbstüberhöhung des Mannes.

Nicht die Moderne oder die Gleichberechtigung oder der Feminismus haben im Westen die Bedeutung von Familie untergraben, sondern die narzisstische Wut des Mannes über seinen Bedeutungsverlust. Nicht die gesellschaftliche Präsenz und das Können von Mädchen und Frauen zerstören familiären Schutz, sondern die Verweigerung verantwortlicher Väterlichkeit.