modernes leben
: Schwarzkirsche Stoiber

Prima, die Wahl ist vorbei. Das Beste daran: der Wahlkampf auch. Das erspart uns ab sofort Plakate an jeder Ecke, grinsende Politikergesichter und die einschlägigen Slogans. Leider gilt in Vorwahlzeiten aber: Nicht nur „Wahlwerbung“ ist erlaubt, sondern auch „Werbung mit der Wahl“. Sprich, es waren nicht Kampa und Co. allein, die uns mit Kampagnen rund um den Politzirkus behelligten.

Auch ausgefuchste Werbemenschen hatten die unglaublich kreative Idee, das anstehende Großereignis zu thematisieren. Ob Marmelade, Zigaretten oder Toaster – für jedes noch so banale Produkt wurde in den vergangenen Wochen mit Wahljargon und eindeutig zweideutigen Anspielungen Reklame gemacht. Drum herum kam man schlecht: Einmal die Zeitung aufgeschlagen, schon hüpften hübsche Slogans raus. Sprüchlein wie „Sie haben die Wahl“ oder „Ihre Stimme zählt“ sind ja auch überhaupt nicht abgegriffen, ach iwo. Also droschen die lieben Werber uns die Floskeln derart um die Ohren, dass es nur so krachte.

Nun kann man ja in die Köpfe des Werbevolks nicht reingucken. Wahrscheinlich meinen sie, auf der berühmten Zeitgeistwelle mitschwimmen zu müssen und so ein saftiges Stück vom (Polit-)Kuchen abzubekommen. Ist die Medienmaschinerie rund um die Bundestagswahl erst mal angelaufen, kommt die Produktwerbung eben nicht mehr umhin, das ohnehin allgegenwärtige Thema gleich mit zu verwursten.

Parteifarbene Marmeladengläschen wollten mit dem Slogan „Erste Wahl“ gekauft werden. Eins rot, eins grün, eins gelb, eins … violett? Tja, schwarze Konfitüre gibt’s leider nicht, aber immerhin heißt die Sorte „Schwarzkirsche“.

Schwarzkirsche Stoiber, Aprikose Westerwelle, Erdbeere Schröder und Kiwi Fischer müssen also für eine Brotaufstrich-Kampagne herhalten – welch lustiger Einfall!

Etwas kreativer kommt nach der Wahl die Zigarettenreklame daher: „Mist! Verwählt“ schreit’s von der Litfaßsäule, und das spricht wohl so manchem aus der Seele. Oder: „Schade, dass nicht jede Wahl so einfach ist“ – da haben sie Recht, die Tabakgurus. Schließlich: „Nicht nur der Wahlkampf braucht Inhalte“. Endlich ein wahres Wort in der Werbung! Ziemlich plump dagegen die Idee einer großen Kaufhauskette, auf einer ganzen Zeitungsseite mit einem Stimmzettel zu werben – anzukreuzen waren reduzierte Waren, von Elektrokleingeräten bis zum Porzellan. „Bei uns sind Sie der Wahlsieger“, tönte die Anzeige. Der Grund: Man hatte gleich drei Stimmen! Super! Quantität statt Qualität, das mögen die Deutschen. Als Schmankerl noch einen Gutschein zum Ausschneiden: wahlweise eine Currywurst und eine Flasche Bier oder ein Paar Weißwürstl und ein Weißbier – Nachtigal, ick hör dir trapsen.

Eindeutiger Gewinner des Contests „Die dümmsten Werbeslogans der Welt“ (frei nach RTL 2): ein den Deutschen lieb gewonnener Autofabrikant. Der versprach nämlich: „Unser Wahllokal ist täglich geöffnet“ und listete darunter alle Berliner Nobelkarossenhändler. Will uns das Reklamevolk unterschwellig mitteilen, dass wir lieber zwischen S-Klasse und SLK wählen sollen als zwischen Union und SPD? Indirekte Aufforderung zum Nichtwählen also, erwischt!

Aber jetzt ist Schluss, und die Werbeleute müssen sich was Neues einfallen lassen. Wie werden wir die überflüssigen Sprüche, Kreuzchen und den Wahljargon doch vermissen! Was kommt nun? Fußball-WM vorbei, Wahlen vorbei, Weihnachten noch ’ne ganze Weile hin. Arme Werber!

Da muss dann wohl das Oktoberfest herhalten. Und in vier Jahren heißt es wieder: „Sie haben die Wahl“ – zwischen Brotaufstrich und Bankkonto.

JULIA BÜRNER