Gott geht nicht ans Telefon

Heutet startet der deutsche Sender „Bibel-TV“ sein Programm mit Bibellesungen und Jesus-Filmen. So zurückhaltend sind die amerikanischen Vorbilder nicht: Mit beseeltem Entertainment muss dort nämlich auch der Klingelbeutel gefüllt werden

aus New YorkTOBIAS MOORSTEDT

Donald Perkins kennt die Telefonnummer von Gott. Zumindest behauptet er das. „08 00-34 25-2 37“, sagt er in seiner Fernsehshow, „rufen Sie an!“. Er breitet die Arme aus. Hinter ihm füllt ein Plastikkreuz den Bildschirm, in dessen Inneren brennen drei Neonröhren. Das Kreuz schimmert leicht bläulich. „Rufen Sie hier an“, sagt Donald Perkins, „und finden Sie Jesus! Die Erlösung wartet.“ 08 00-34 25-2 37. Nur 80 Cent die Minute.

Donald Perkins ist ein Televangelist. Einer von vielen. Rund 2.500 religiöse Radio- und TV-Sendungen sind in den USA registriert. Da ist der alte Pfarrer in seinem altmodischen Radiosender irgendwo in den endlosen Weiten von Montana. Und da ist die durchgestylte Erweckungsshow im Fernsehen, live aus dem ausverkauften Footballstadion von Miami. Dreieinhalb Milliarden Dollar werden in Amerika jedes Jahr mit den Bibelsendern umgesetzt. Es ist ein großes Geschäft.

In den USA müssen Kirchen und Sekten keine Steuern zahlen. Es ist deshalb ein heiß umkämpfter Markt. Den größten Teil ihres Geldes bekommen die TV-Evangelisten in Amerika über Spendentelefone. Die Nummern sind wie bei einer Teleshoppingsendung die ganze Zeit eingeblendet. Dazu gibt es die üblichen Merchandisingprodukte.

Denn die erfolgreichsten der TV-Prediger begnügen sich keineswegs damit, das Wort Gottes in den Äther zu schicken. Damit lässt sich kein Geld verdienen. Sie versprechen viel mehr als das: Die Erlösung von Übel, Unglück und Krankheit. Manche haben mit diesen Gauklerspielen ein weltweites Netzwerk aufgebaut, über das die Prediger dann ihre – oft radikalen Botschaften – in die Welt schicken.

Der Baptistenpfarrer Falwell, der als Führer einer Bewegung namens „Moralische Mehrheit“ bekannt wurde, stellt in seinen politischen Tiraden die Abtreibung in eine Reihe mit dem generellen Verfall der Moral und der Sitten: Pornografie, Säkularisation, Drogenkonsum und Marxismus-Leninismus werden als Geißeln der modernen Demokratie verteufelt.

Die TV-Kirchen sind oft auch ein Personenkult. Denn normalerweise wäre Jerry Falwell nur ein alter Baptistenpfarrer in einer kleinen Holzkirche im Staat Virginia, doch das Fernsehen macht aus ihm einen Propheten. Zwei Millionen Menschen gehören inzwischen der „Moral Majority“ an.

Die USA sind ohnehin längst schon das wahre christliche Abendland: Mehr als 95 Prozent der US-Amerikaner glauben an Gott, 72 Prozent an Engel und 65 Prozent an die Existenz des Satans. Gute Aussichten für biblische Sender, zumal 44 Prozent der US-Bürger mindestens einmal in der Woche einen Gottesdienst besuchen.

Und längst haben sich die TV-Kirchen von den Skandalen der 80er-Jahre erholt. Damals wurden Jim und Tammy Faye Bakker dabei erwischt, Spendengelder gar nicht für Kinderheime und Bedürftige auszugeben, sondern für ihr ganz persönliches Luxuseigenheim. Neue Gemeinden wuchsen heran, viele davon Unternehmen mit dreistelligen Millionenumsätzen und eigener mitreißender TV-Show.

Benny Hinn ist ein gutes Beispiel. Mit hoch erhobenen Armen läuft er über die Bühne. Über eine Stunde monotoner Hymnen und Predigten haben die Leute in den Kirchenbänken schon hinter sich. Gleich hat er sie so weit. „Ihr werdet geheilt!“, ruft er ins Mikrofon. Applaus brandet auf. Dann greift er einer Frau plötzlich an die Stirn, schreit: „Der Teufel der Krankheit soll weichen!“ Die Frau verdreht die Augen, fällt um, wird von zwei Helfern, die so etwas schon erwartet hatten, aufgefangen. „My Jesus has destroyed Aids!“, brüllt Hinn in sein Mikro.

Geschickt nutzt Hinn die hypnotische Wirkung des Fernsehens. Steuerung durch endlose Wiederholung. Ein virtueller Placebo-Effekt. Es ist eine durchchoreografierte Show, Lichtmätzchen und Nebel inklusive. Mit Spezialeffekten und einfachen Botschaften erschafft TV-Prediger Benny Hinn für seine Anhänger eine Gegenrealität zum komplizierten Alltag. Eine Realität, in dem das Leben noch einfach ist. Wo geschrieben steht, was falsch ist und was richtig. Ein Land, in dem man Gott einfach mal anrufen kann und dann fragt, wie es denn so geht. 08 00-34 25-2 37.

Die Telefonnummer von Gott ist übrigens eine Enttäuschung. Es hebt niemand ab.