zwischen den rillen
: Die Wiedergeburt des Orchestra Baobab

Buena Vista Africa Club

Es war der erste Club am Platz. Regierungsmitglieder gründeten ihn 1970 als exklusiven Treffpunkt, und eine Hausband, aus den besten Musikern der Stadt rekrutiert, spielte mit kubanisch inspirierten Rhythmen zum Paartanz auf. Über Kassetten, Radio und Tourneen erlangte sie sogar weit über die Grenzen des kleinen Landes hinaus Berühmtheit. Doch mit dem Ende des Etablissements zerstreute sich das Orchester bald in alle Winde – bis ein Produzent aus Europa die Musiker dazu bewog, sich an einem Comeback zu versuchen.

Klingt irgendwie vertraut? Nun: Der britische Produzent Nick Gold, der geistige Vater des Buena Vista Social Clubs, hat wieder einmal, für eine weitere Riege alter Männer, Schicksal gespielt. Vom Orchestra Baobab aus Dakar, Senegal, zirkulierten lange nur noch jene Aufnahmen, die es von 1970 bis 1982 hinterließ. Doch für seine Wiedergeburt nach fast 20 Jahren fand nun beinahe die gesamte ursprüngliche Besetzung aus alten Tagen zusammen – und das, obschon sich mancher eigentlich schon ganz von der Musik abgewandt hatte. Baobabs einstiger Kopf, der Sänger Rudy Gomes, hatte sich zuletzt als Sprachlehrer verdingt, während der stilprägende Gitarrist Barthelemy Attisso als Anwalt in seine Heimat nach Togo zurückgegangen war. Allein der Sänger Balla Sidibé war bis zuletzt noch in Hotelbands aufgetreten.

Was Baobab auf ihrem Comeback-Album „Specialist in All Styles“ bieten, ist zwar wenig mehr als eine Neuauflage einiger ihrer größten Hits, teilweise bis aufs Gitarrensolo originalgetreu nachgespielt. Doch was wollte man mehr erwarten? Schließlich geht es vor allem darum, an die Geburtsstunde einer eigenständigen Popmusik im Senegal zu erinnern. Diese hatte ihre Ursprünge in jenen Unterhaltungsorchestern, die überall nach der Unabhängigkeit in Afrika schwer gefragt waren bei den jungen Eliten, die nach einer modernen Tanzmusik suchten, mit der sie sich identifizieren konnten. Die eigenen Traditionen schienen dafür wenig geeignet, lieber begeisterte man sich für kubanische Schlager. Die ersten Kapellen beschränkten sich noch darauf, diese möglichst fehlerfrei nachzuspielen. Doch mit der Zeit setzte die Afrikanisierung des Repertoires ein: Erst im Gesang, der in lokale Idiome wechselte, dann durch den allmählichen Einzug traditioneller Rhythmen und Instrumente. So erfolgte die Emanzipation vom kolonialen Erbe durch die Adaption importierter Stile, die in einen eigenständigen Sound überführt wurden: ein Spiegel der nachkolonialen Entwicklung des Kontinents.

Das Orchestra Baobab war ein Musterbeispiel solcher Unterhaltungsorchester. Auf Wunsch spielte es auch Chansons, Highlife oder Coverversionen aktueller Hits – sie waren eben „Specialist in all Styles“, woran ihr Albumtitel erinnert. Ein weiteres Erfolgsgeheimnis war auch die multiethnische Zusammensetzung der Band: Die Musiker stammten aus diversen Regionen, manche sogar aus Nigeria oder Marokko, und das hörte man ihnen auch an. Im Gesang hallte das alte Griot-Erbe wieder, in die Melodien der daddelnden Gitarren und die lang gezogenen Rhythmen flossen regionale Einflüsse ein: ein Garant für panafrikanischen Erfolg. Als die Band einmal einer Einladung ins Nachbarland Guinea folgte, wurde sie in der Hauptstadt von Minibussen und Taxis empfangen, auf denen überall der Titel ihres aktuellen Hits prangte: „On Verra Ça“. Die Redewendung avancierte dort zum geflügelten Wort, mit dem Sekou Toure, damals Präsident des Landes, sogar eine Weile lang seine Reden zu beschließen pflegte.

Diese Ära endete in den frühen Achtzigern, als ein neuer Stil namens Mbalax, auf traditionelleren Rhythmen beruhend, im Senegal die Massen zu begeistern begann. Die Musik wurde immer lokaler, der Big-Band-Sound des Orchestra Baobab wirkte plötzlich antiquiert. Doch einige der klassischen Latin-Orchester Afrikas, die damals ihre große Zeit hatten, haben bis heute überdauert. Der neuerliche Salsa-Boom hat das Interesse an ihrem Sound neu angefacht. Die Versuche der Orchestra Baobab-Macher, sich an den Buena-Vista-Erfolg anzuhängen, sind deshalb auch recht offensichtlich: So enthält das Album mit „El Son te llama“ einen Guajira-Son aus den 50ern, mit dem schon die Afro Cuban All Stars ihr Album eröffneten. Und ihre melancholische Ode „Utru Horas“ wurde flugs zu einer „Hommage à Tonton Ferrer“ umgewidmet, mit Ibrahim Ferrer als prominentem Gast.

Trotz solch strategischer Kniffe: Die Aufmerksamkeit eines größeren Publikum hat das Orchestra Baobab gleichwohl verdient. Man darf aber auch gespannt sein, welche anderen Bands weltweit noch ihrer Wiederentdeckung harren.

DANIEL BAX

Orchestra Baobab: „Specialist in All Styles“ (World Circuit)