Gefährliche Helfer

Mit den islamischen freiwilligen Kämpfern – zumeist Araber, Ägypter und Algerier – kamen während des Krieges islamisch-fundamentalistische Anschauungen nach Bosnien. Die Mudschaheddin, wie die rund fünfhundert Freiwilligen genannt wurden, hielten sich bis 1995 vor allem in Zenica und in Travnik auf.

„Natürlich versuchte jede Regierung islamischer Länder von Anfang des Krieges an, Spione zu schicken, manche dieser Mudschaheddin könnten sogar im Auftrag Milošević’, also Serbiens, gekommen sein, um Diversion zu betreiben. Das Gros der Mudschaheddin waren aber islamische Ideologen und Fanatiker“, erklärte kürzlich ein Mitglied eines amerikanischen Geheimdienstes.

Die Mudschaheddin versuchten von Beginn an, die Muslime Bosniens, die ihnen als viel zu westlich erschienen, in ihrem Sinne zu „erziehen“. Als sie 1993 ein Liebespaar in Zenica tätlich angriffen, kam es zu Unruhen in der Stadt. Die bosnischen Muslime wollten sich nicht ihre europäische Lebensart nehmen lassen. Die Spannungen wurden teilweise so stark, dass die politische und militärische Führung die Mudschaheddin zwingen musste, sich fortan in der Öffentlichkeit zurückzuhalten.

Doch kleine Zirkel innerhalb der islamischen Gemeinschaft zeigten sich den fundamentalistischen Ideen gegenüber aufgeschlossener. In der Nationalpartei SDA bildeten sich Gruppen, die für einen islamischen Staat eintraten. Mit der Ankunft von hunderten humanitärer Helfer – vor allem des saudi-arabischen Halbmondes – im Schutze der UN verstärkten sich die Anstrengungen der Fundamentalisten, Anhänger zu gewinnen.

Doch mehr Sorgen bereiteten den westlichen Regierungen zunächst die Iraner. Die schickten nämlich Spezialisten, ausgebildete Offiziere, die wiederum in der Lage waren, bosnische Kämpfer für „Spezialaufgaben“ auszubilden. Während des Krieges geduldet, wurde nach dem Friedensschluss von Dayton gehandelt. Internationale Friedenstruppen umstellten im Februar 1996 das Ausbildungslager im Ort Pogorelica und nahmen die Iraner fest. Sie wurden in ihre Heimat abgeschoben.

Ein kleiner Teil der Mudschaheddin durfte nach dem Kriege im Lande bleiben, weil sie inzwischen bosnische Frauen geheiratet hatten. Sie konnten in Bocinje, einem Dorf nahe der zentralbosnischen Stadt Maglaj, wohnen und bekamen ganz legal bosnische Pässe. Während die Briten diesen Ort schon 1996 als Zelle für islamistische Terroristen ansahen, standen die US-Vertreter auf dem Standpunkt, dass die eingehende „Beobachtung“ vorteilhafter wäre.

Doch von den bosnischen Behörden wurden mehr Pässe an Ausländer aus islamischen Ländern ausgegeben, als für diese Leute notwendig waren. Der inzwischen vor Gericht gestellte Exinnenminister Bakir Alispahić war dafür verantwortlich.

Die Antiterrorkommission der bosnischen Regierung hat nach dem 11. September 740 Pässe überprüft. Siebzig Prozent dieser Pässe sind danach an „zweifelhafte“ Personen im Umkreis des islamischen Fundamentalismus ausgegeben worden. Mit den Pässen wurde viel Geld verdient – aber auch ein Sicherheitsrisiko geschaffen. Nicht zuletzt deshalb beobachten westliche Geheimdienste seit dem 11. September die bosnischen Verhältnisse genauer als zuvor.

ERICH RATHFELDER