Später Sieg

Spanische Regierung nimmt Arbeitslosenreform nach Generalstreik und Demonstrationen zurück

MADRID taz ■ So etwas hat das spanische Parlament noch nicht gesehen. Die Fraktion der regierenden konservativen Volkspartei (PP) legte in der Debatte um die Reform der Arbeitslosengesetzgebung 24 Änderungsvorschläge vor – gegen das im Frühjahr per Dekret erlassene eigene Gesetz. Mit diesem Manöver tritt die Regierung von José María Aznar den Rückzug an, um die Gewerkschaften, die seit Monaten mobil machen, zu besänftigen.

Und dies gelang: Die Vertreter der beiden großen Gewerkschaften, der kommunistischen CCOO und der sozialistischen UGT, loben die Reform der Reform als „eine Wiederherstellung der Rechte“. Arbeitsminister Eduardo Zaplana hatte die Vorsitzenden extra vor der Parlamentssitzung geladen, um die Nachricht selbst zu überbringen. Die zurückgenommene Reform sah weite Einschnitte in die Rechte der Arbeitslosen vor. So sollten die Zumutbarkeitsregelung aufgeweicht werden, um Arbeitslose zwingen zu können, jede Beschäftigung anzunehmen, die er früher einmal mehr als sechs Monate ausgeübt hat.

Nach der Reform der Reform hat der Arbeitslose künftig 100 Tage, um sich selbst eine Beschäftigung zu suchen. Erst dann vermittelt ihn das Arbeitsamt unter Respektierung seiner hauptsächlich ausgeübten Tätigkeit. Auch die Kürzungen des Arbeitsgeldes bei Saisonarbeitern wird wieder zurückgenommen. Künftig kassieren zum Beispiel Lehrer an Privatschulen, die im Sommer entlassen werden, um sie im Herbst erneut einzustellen, wieder Arbeitslosengeld. Dies sollte ursprünglich gestrichen werden, was vor allem die Beschäftigten im Tourismusgewerbe getroffen hätte. Auch beim Kündigungsschutz kehrt die Regierung zur alten Regelung zurück. Künftig muss ein Unternehmer, der Mitarbeiter unrechtmäßig entlässt, den Lohn bis zu einem Urteil vor dem Arbeitsgericht weiterbezahlen. Eine Verrechnung von Abfindungen auf das Arbeitslosengeld wird es auch nicht geben.

Nur bei den Landarbeitern kam die Regierung den Gewerkschaften nicht entgegen. Arbeitsminister Zaplana besteht weiterhin darauf, die Sonderregelung, nach der Tagelöhner, die 35 Tage im Jahr gearbeitet haben, den Rest des Jahres 120 Euro pro Monate kassieren, zu streichen. Trotzdem werten die Gewerkschaften die Rücknahme der Reform als den Sieg ihrer Mobilisierungen. Vor der Sommerpause am 20. Juni legten CCOO und UGT pünktlich zum EU-Gipfel in Sevilla mit einem Generalstreik das Land lahm. Am letzten Wochenende mobilisierten sie eine halbe Million Menschen nach Madrid. REINER WANDLER