Fallaci-Buch vor Gericht

Die französische Justiz muss entscheiden, ob das Werk der italienischen Journalistin rassistisch ist. Auch zwei Romane stehen auf dem Prüfstand

PARIS taz ■ Gibt es ein „Recht auf dumpfen Antiislamismus“? Oder handelt es sich um einen Aufruf zu rassistischem Hass und zu Gewalt, wenn eine prominente Journalistin schreibt: „Die Söhne Allahs vermehren sich wie die Ratten“ und: „Die Muslime tragen nicht zum Fortschritt der Menschheit bei. Sie verbringen ihre Zeit mit dem Hintern in der Luft, beten fünf mal am Tag.“?

Die Sätze stehen in einem Buch, das die in New York lebende 72-jährige Italienerin Oriana Fallaci nach dem 11. September geschrieben hat. Nach eigener Auskunft will sie mit „Die Wut und der Stolz“ die „verblendeten“ und „masochistischen“ Europäer beschwören. Ihnen erklären, dass die „Moscheen nur so vor Terroristen und Terroristenlehrlingen wimmeln“ und dass der Islam den Westen für seine eigene „materielle und intellektuelle Armut, seine Rückwärtsgewandheit und seine Zerstörungen“ verantwortlich mache.

In Italien hat Fallaci ihr Pamphlet eine Million Mal verkauft, in Frankreich fast 50.000 Mal. Zugleich erregte sie Anstoß mit dem „ekelerregenden“ (protestantische Kirche) und „gefährlichen“ (katholische Kirche) Buch, das „denselben Fanatismus zeigt, den sie zu bekämpfen behauptet“ (muslimische Gemeinde). Drei französische Menschenrechtsorganisationen reichten Klage ein. Seit Mittwoch klärt ein Gericht in Paris, ob Fallacis Buch rassistisch ist, ob ihr französischer Verleger (Plon) eine „Warnung“ beifügen muss, oder ob das Buch verboten gehört. Die schwer kranke Fallaci ist nicht nach Paris gereist. Im Gerichtssaal gibt ihr Anwalt Gilles Goldnagel zu, dass sie „simplifiziert“ und „polemisiert“. Dafür macht er das Recht geltend, „zu hassen und den Söhnen Allahs den Krieg zu erklären“. Für die Antirassismusgruppe MRAP schlägt Anwalt Ahcène Taleb vor: „Ersetzen Sie das Wort ‚muslimisch‘ durch ‚jüdisch‘ und Sie haben die Literatur der 30er-Jahre.“

Die Frage, ob Bücher vor Gericht gehören, und ob radikaler Antiklerikalismus strafbar ist, beschäftigt die ExpertInnen in Frankreich gegenwärtig gleich mehrfach. Michel Houellebecq, dessen im vergangenen Jahr erschienener Roman „Plattform“ schon damals vereinzelt als rassistische Provokation kritisiert wurde, ist jetzt wegen „rassistischer Beleidigung“ angeklagt. Nachdem Houellebecq den Islam in einem Interview als „die dümmste Religion überhaupt“ bezeichnet hatte, erstatteten einige islamische Gruppen Anzeige. Die Freiheit des Schriftstellers wird von einer heterogenen Gruppe von Intelektuellen – von Frédéric Beigbeder über Claude Lanzmann bis hin zu Salman Rushdie – verteidigt. Zugleich haben auch Rechtsextreme wie der Politiker Bruno Mégret die Gelegenheit genutzt, Unterstützungserklärungen abzugeben.

Aus Gründen der „Moral“ mischt sich in Frankreich gegenwärtig auch der Innenminister in die Literatur ein. Nicolas Sarkozy will den Roman „Rose bonbon“, in dem Nicolas Jones-Gorlin einen pädophilen Mörder beschreibt, ganz oder teilweise aus dem Vertrieb nehmen. Begründung: Das Buch könne Minderjährige schockieren. Mehrere Kinderschutzgruppen hatten ein Verbot verlangt. Nachdem der Innenminister den Buchverleger (Gallimard) vorlud und ihn beauftragte, „alle nützlichen Dokumente“ vorzulegen, schaltete sich auch der Kulturminister ein. „Ich bin gegen jede Zensur“, erklärte Jean-Jacques Aillagon und erinnerte seinen Ministerkollegen daran, dass Kunst und Literatur die Aufgabe haben „die Mäander der menschlichen Seele zu durchforsten“. DOROTHEA HAHN