Auszeichnung für Kriegsverweigerer

Einer der Träger des Alternativen Nobelpreises 2002 ist das „Jugendzentrum Kamenge“ in Burundis Hauptstadt Bujumbura. Das kirchliche Jugendbildungswerk widmet sich mitten im Krieg der Überwindung des Misstrauens zwischen Hutu und Tutsi

von DOMINIC JOHNSON

Es ist nicht einfach, in Burundi der Hutu-Tutsi-Polarisierung zu entkommen. Nach neun Jahren Krieg zwischen Tutsi-Armee und Hutu-Rebellen mit 250.000 Toten ist der Druck auf Jugendliche immens, sich der einen oder anderen Seite anzuschließen. Die gestrige Vergabe des Alternativen Nobelpreises an das „Jugendzentrum Kamenge“ stärkt indessen Burundis Friedenskräfte.

Der Name „Centre Jeunes Kamenge“ (CJK) hat in der Vergangenheit schon ausgereicht, um dem 1990 von katholischen Xaverianer-Patern aus Italien gegründeten Jugendwerk Probleme zu bescheren. Kamenge ist ein Hutu-Township am Nordrand Bujumburas; 1994, zu Beginn des Krieges, wurde es von der Armee zu großen Teilen zerstört. Bis heute infiltrieren immer wieder Hutu-Rebellen das Viertel und die Armee führt Razzien durch. Daher wird dem CJK zuweilen unterstellt, die Rebellen zu unterstützen, zumal die katholische Kirche in Burundi wie in Ruanda oft mit Hutu-Extremisten sympathisiert.

„Anders als viele denken, liegt das CJK nicht in Kamenge, sondern in Cibitoke“, stellte hierzu Zentrumsleiter Claudio Marano unlängst in einem Interview mit der burundischen Zeitung Umuco klar. „Es heißt Centre Jeunes Kamenge, weil auf den Papieren der Diözese Bujumbura steht: zwei Hektar, in einer Ecke des nördlichen Viertels Kamenge. Nach der Unabhängigkeit hieß ganz Nord-Bujumbura Kamenge.“ Tatsächlich liege das Zentrum genau zwischen den Vierteln Kamenge, Cibitoke, Ngarara und Kamina. Kamenge und Kamina sind Hutu-Viertel – in Cibitoke und Ngarara leben Tutsi.

So kommen Hutu- wie Tutsi-Jugendliche in die Einrichtungen des Zentrums. Rund 19.500 Menschen unter 30 Jahren sind als Mitglieder eingeschrieben und nutzen die Bibliothek, die Sporteinrichtungen, das Theater, die Aids-Aufklärungskurse, die Alphabetisierungskurse und die Schulungen in praktischen Dingen von Menschenrechten bis zur Straßenverkehrsordnung. 1992 fing die Arbeit des CJK an; 1994 – 97 war es kriegsbedingt kaum arbeitsfähig, aber seitdem ist es aufgeblüht.

„Ziel des Zentrums ist, Verständigung zwischen Jugendlichen der verschiedenen Ethnien zu fördern“, erklärt Christophe Sebudandi, ehemaliger Leiter der wichtigsten burundischen Menschenrechtsorganisation Iteka. Gegenüber Umuco betonte CJK-Leiter Marano, dass dank seiner Arbeit Jugendliche aus Hutu- und Tutsi-Vierteln inzwischen einander besuchen. „Die Jugend will nicht mehr in ihren Vierteln bleiben, in ihren Schulen, in ihren ethnisierten Strukturen.“

Angèle Aubin von der kanadischen Entwicklungshilfe, ein Geldgeber des CJK, bescheinigt dem Zentrum: „Sie fingen in einer Zeit an, als die ethnischen Vorurteile sehr stark waren. Sie setzten sich mit diesen Vorurteilen und der Gewaltbereitschaft auseinander.“ Als zum Beispiel 2001 eine Hutu-Rebellengruppe Kamenge besetzte, redeten die CJK-Mitarbeiter mit den Rebellen, damit diese die Zivilbevölkerung in Ruhe lassen, und wirkten auf Hutu-Jugendliche ein, sich ihnen nicht anzuschließen.

Das ist Teil einer wachsenden Ablehnung der burundischen Kriegslogik durch Bujumburas Jugendliche. „Die Jugendlichen haben genug von der Manipulation durch Politiker“, erklärt Jean-Paul Nicondindiriye, Leiter der Jugendsendung „Wibazaiki?“ (Was denkst du?) der unabhängigen Radiostation Ijambo. „Sie organisieren sich, um zu überleben und etwas Sinnvolles zu tun.“ Heute versucht das CJK, Initiativen der nördlichen Stadtviertel Bujumburas zu vernetzen. Es ist Teil einer zunehmend selbstbewussten Zivilgesellschaft, deren Mitglieder sich dem Zugriff der Kriegsparteien verweigern.