Wer hat ein Ö im Namensschild?

Jubel bei Rowohlt, die Herren von Suhrkamp lockern die Krawatten, und sogar eine wichtige Podiumsdiskussion am Stand der „Zeit“ wird unterbrochen: wie die Frankfurter Buchmesse reagierte

FRANKFURT AM MAIN taz ■ In der Halle 5 herrscht Ratlosigkeit: Der ungarische Verlag Magvetö Publishing House, der bisher sämtliche Werke Kertész’ veröffentlicht hat, ist nicht auf der Messe – und Imre Kertész selbst weilt in Berlin. Also muss am ungarischen Sammelstand jeder, der ein Namensschild mit vielen Ö’s, S's und Z's hat, Auskunft geben. „Wir haben nichts mit Kertész zu tun“, wehrt eine ältere Dame die Anfragen der Journalisten ab: „Haben Sie denn seine Bücher nicht gelesen?“ – Betretenes Schweigen.

Eszter Vince, die Juniorchefin von Vince Books aus Budapest, erklärt, warum kleinere Verlage nicht nach Frankfurt reisen: „Es kommt nur, wer Titel einkaufen kann – zu verkaufen ist wenig.“ So groß sei das Interesse des internationalen Buchmarktes doch nicht: „Péter Esterházy, Peter Nádas und Kertész sind nun mal die einzigen ungarischen Stars.“ Aber es sind auch ihre Stars, und obwohl Eszter Vince inzwischen Kochbücher und Kunstbände verlegt, erinnert sie sich begeistert an die Lektüre von Kertész’ „Roman eines Schicksallosen“.

Bei Rowohlt ist man gut vorbereitet. Schnell werden die Romane von Kertész gut sichtbar postiert, und der Verlagsleiter Alexander Fest steht Rede und Antwort. Fest, der ein schillernd buntes Hemd trägt, gibt seiner Freude beredt Ausdruck. Dass Kertész nach den Problemen bei Rowohlt Berlin jetzt bei der Konkurrenz, nämlich bei Suhrkamp gelandet ist, sieht er sportlich: „Schade, aber ich freue mich für die Kollegen.“ Auch er hebt den „Roman eines Schicksallosen“ hervor, dessen „artifizielles Stottern“ ihn tief beeindruckt habe: „Ein Holocaust-Schicksal, wie es auf diese Art noch nie beschrieben worden ist.“

Auch bei Suhrkamp ist dieses Mal alles bestens vorbereitet. Thomas Meinecke erinnert sich noch, wie es mit der Nobelpreisverleihung für die polnische Lyrikerin Wisława Szymborska war: „Da hat es erst mal 15 Minuten gedauert, bis man begriffen hat: Wir haben doch auch was von Szymborska!“ Eine halbe Stunde vor der Bekanntgabe hat man noch eine Pressemitteilung gedruckt, auf der der im nächsten Jahr bei Suhrkamp erscheinende Roman „Felszámolás“ vorgestellt wird. Verlagsleiter Günter Berg hält den Ball flach: „Wir haben nicht gewonnen, sondern freuen uns, mit diesem Autor die nächsten 20 Jahre arbeiten zu können.“ GERRIT BARTELS,
KOLJA MENSING