zwischen den rillen
: Deutscher Soul aus Delmenhorst: Sarah Connor

Schulmädchenreport

Jede Wette: Man kann ein buntes, aufregendes, mit Musik voll gepfropftes Leben haben, ohne Sarah Connor überhaupt zu kennen. Das gilt nicht für alle MusikerInnen so, zum Beispiel wäre ein Leben ohne einen einzigen Song von Aretha Franklin, ohne ein einziges „Zazzazza“ von Missy Elliot weitaus langweiliger und doofer als eines ohne Sarah. Dass Sarah fehlt, fiele niemandem auf. Die Bravo könnte ihre Seiten mit ähnlichen Mädchen samt ähnlichen Figuren füllen, die Plattenfirmen würden vielleicht eine singende Maus aus Schaafheim aufrüsten.

Die Delmenhorster Soul Connection, die deutsche „SSS“ (Soul, Sex, Sinnlichkeit) verkörpernde Flunschlippe mit Sangestalent, die 22-jährige Pferdenärrin und älteste Tochter eines New-Orleans-Delmenhorst-Ehepaares mit irischen Vorfahren, ist im Prinzip als Musikerin überflüssig. Genau wie ihr zweites Album, „Unbelievable“. Connor, überhäuft mit hausgemachten Preisen, Liebkosungen der deutschen Boulevard-Musikindustrie und -presse (wegen ihrer tollen Stimme, sie ist doch schließlich eine von uns!), aber auch getadelt (wegen ihrer „skandalösen“ Outfits), hat eine Platte gemacht, so weiß und sauber wie eine weiße, saubere Kleinstadtdeern mit Glanzbildern im Poesiealbum, so glatt produziert wie alle durch den Radio-Limiter geschickten Ibiza-Dance-Hits und so gesichtslos wie die überbelichteten Porträtfotos des Soul-Dämchens auf dem Cover.

Ansonsten bleibt sie in der Öffentlichkeit ein unbeschriebenes Blatt: Außer jener allein durch die Medien hoch notierten „Wetten …, dass?“-Nummer (Sarah trug dort Anfang des Jahres ein Oberteil, durch das man ihr mit etwas Fantasie alles, aber auch alles weggucken konnte!) und ihrer schulmädchenhaft vorlauten Bemerkung über Udo Jürgens (in der Harald Schmidt Show sagte sie, Jürgens stehe auf kleine Jungs) ist sie nett und lieb und so sexy, wie man vor der Ehe sein darf.

Die Plattenindustrie hat sich Connor zurechtgeschmirgelt. Da hilft auch kein Wyclef Jean, der den durch Airplay noch kräftig gepuschten Hit „One nite stand“ mit ihr zusammen mehr radebrecht als singt und sich dabei nicht mal ansatzweise Mühe gibt, dort Sex hineinzuzaubern, wo doch nur Necking und Petting und „Willst du mit mir gehen? Kreuz an: ja, nein, vielleicht“-Briefchen liegen. Oder anders gesagt: Wer glaubt, dass Wyclef auch nur ein einziges My seines Kinderreims („So let’s make love in the dark / until we break daylight / than hit the autobahn“) allein wegen Sarahs schöner Schnute abgeliefert hat und nicht für eine Summe, die die Plattenfirma und Sarah jetzt in schwitzender Marketingarbeit wieder reinholen müssen, der trinkt auch das, was Schultheiss braut.

Schön, dass Sarah all ihre Texte für das CD-Booklet, akkurat aufgegliedert in Intro / Chorus / Verse / Bridge etc. aufschreiben ließ; und schön auch, dass diese Texte höchstens drittes-Schuljahr-Englisch-Niveau haben, etwa „You will meet the kind of boy / who will always give you joy“ oder „A crazy game but who is to blame / unfortunately always the same“. Denn so können die Schulmädchen, für die das Album gemacht ist, auf ihrer weißen Tagesdecke liegen und mitsingen. Und davon träumen, dass sie das Gleiche schaffen, besser gesagt geschafft bekommen: Wenn sogar unsere Sarah, mit Pferdepostern und niedersächsischer Landei-Nase, sich im Vorher-nachher-Vergleich mit der richtigen Schminke und den richtigen Managern in einen Viva-Vamp verwandeln kann, dann können das Anna-Lena oder Mandy-Nancy (oder wie sie heißen) auch. Vielleicht müsste Mandy-Nancy nicht mal ihren Namen dazu ändern!

Sarah Connor ist 22, kann toll singen und hat es gelernt, auf der Bühne zu stehen. Falls sie auch noch lernt, Songs zu schreiben, falls sie es wagt, sich ein Image zu verpassen, das zumindest ein Fitzelchen Originalität enthält, und nicht nur Modelästhetik und Pornonägel, dann würde man ihr auch irgendwann die Künstlerin glauben. Weil sie nett und sympathisch aussieht und in ihren komplett auf Englisch (wegen der Internationalität!) verfassten CD-Credits so oft ein „Smile!“ dazwischenquietscht, möchte man ihr die andere, ebenfalls vorstellbare, dunkle Seite der Karriere, das durch Ibiza-Bumsdiscos-und-Autobahneröffnungshäuser-Tingeln, wirklich nicht wünschen.

JENNI ZYLKA

Sarah Connor: Unbelievable(Xcl; Sony)