Auswärtsspiel im Jugendzentrum

Zwei Initiativen mobilisierten am Wochenende in Mecklenburg-Vorpommern mit Benefizkonzerten gegen rechts – mit unterschiedlichem Erfolg

„Nazis raus“, schallt es durch die Sporthalle in Neubrandenburg. Fast 2.000 Kids drängeln und hüpfen vor der Bühne und recken die Fäuste. Gerade haben die Brothers Keepers mit Ono, Germ und Blaise ihren Hit „Adriano (Letzte Warnung)“ beendet und alle den Refrain aus vollem Herzen mitgesungen. Dann ruft Germ die Fans noch auf, am kommenden Samstag auf die Straße zu gehen, um sich dem angekündigten Naziaufmarsch in den Weg zu stellen.

So endete das Festival „Youth against racism“, das am Wochenende in Neubrandenburg stattfand, als voller Erfolg. Dabei standen gar nicht so große Namen auf der Setliste: Als Headliner fungierte der aus Las Vegas stammende Declaime, dem wegen seines als „funky Asthmatik“ bezeichneten Rapstils zwar ein gewisser Ruf anhaftet, der aber nicht eben als Berühmtheit anzusehen ist. Und neben lokalen Bands wie „Dreigestirn“ oder Schema F. waren es vor allem die Rapper von Creutzfeld-Jacob, die Spaß-Punks von SPN-X und die Ska-Band De Ruths, die als Headliner des Abends fungierten.

Doch für die Kids im nicht gerade von häufigen Gastspielen bekannter HipHop-Größen verwöhnten Neubrandenburg, nordwestlich von Berlin gelegen, war es dennoch ein Großereignis. In einer Ecke der Sporthalle zeigten junge BMX-Fahrer ihre Künste, auf der anderen Seite hatten sich Infostände von örtlichen Initiativen postiert, und vor der Tür begann schon am Nachmittag eine Grafitti-Aktion. Die Initiatoren des Spektakels jedenfalls waren selig: Mit so viel Andrang hatte man nicht wirklich gerechnet. Dabei hatte die örtliche Jugendgruppe über Monate ihre ganze Freizeit in das Projekt gesteckt, Finanzanträge geschrieben, Bands angeheuert, Plakate geklebt und den Vorverkauf organisiert. Am Ende hatte sich das Engagement ausgezahlt.

Bereits am Tag zuvor waren mit Germ, Ono und den Jungs von Creutzfeld-Jacob einige der Künstler in Neubrandenburg unterwegs gewesen, hatten mit Schulklassen diskutiert und ein Jugendzentrum besucht. Dort, in einem kahlen Raum, in dessen Mitte eine lädierte Tischtennisplatte stand, herrschte anfangs nervöse Angespanntheit: Nicht nur bei Flippstar und Lucky von Creutzfeld-Jacob, den auswärtigen Gästen, sondern auch bei den etwa 20 Jugendlichen, die sich auf den Sofas lümmelten und nicht so recht wussten, was das nun werden sollte. So verlief das Gespräch eher zaghaft: Lucky erzählte ein wenig von seinen ausländischen Freunden und dass man was gegen Nazis tun müsse, und ein paar der Kids nickten dazu pflichtschuldig. Lebendiger wurde es erst, als es um Musik ging. Immerhin war dem einen oder anderen die Musik von Creutzfeld-Jacob bekannt.

Am Freitagabend hatte es im mecklenburgischen Ludwigslust ein weiteres Antirassismus-Konzert gegeben, organisiert vom Büro Lärm und mit Unterstützung der Stern-Kampagne „Mut gegen rechte Gewalt“ sowie potenten Sponsoren wie Eastpack und WOM. Doch trotz weit prominenterer Namen wie Ferris MC, DJ Stylewarz sowie Bantu und Patrice hatten sich dort nur rund 350 Besucherinnen eingefunden. Ob die es wirklich cool fanden, als Ferris MC auf der Bühne minutenlang übers Kiffen philosophierte, muss dahingestellt bleiben. Doch spätestens als Bantu mit ihrem reggaelastigen Afrofunk einheizten, herrschte auch hier beste Partylaune.

Dennoch waren die Veranstalter sichtlich enttäuscht. Vielleicht hatte es ja tatsächlich an der kurzfristigen Verschiebung des Konzerts aufgrund der Flut gelegen, dass die Resonanz vergleichsweise niedrig ausfiel. Vielleicht lag es aber auch daran, dass zu viel von außen kam und die örtlichen Initiativen zwar an der Vorbereitung beteiligt waren und auf der Bühne auch vorgestellt wurden, aber ansonsten zu kurz kamen. Etwas irritierend war es schon, dass sich am Ende Veranstalter und Bands mit Sekt zuprosteten, von den „Schülern gegen rechts“ zu diesem Zeitpunkt aber schon niemand dabei war. Sinnvoll scheint es schließlich weiterhin, in Orten wie Ludwigslust solche Aktivitäten zu entwickeln. Allein 38 „rechtsextrem motivierte Straftaten“ wurden hier allein bis Mai 2002 gezählt, mehrfach Gedenkstätten beschädigt. Und Nazis aus Hamburg bauen derzeit auf dem „Gut Amhof“ ein Schulungszentrum auf. DIRK SEIFERT