Reiner Wein macht Karriere

Ökoweine spielen heute ganz selbstverständlich auch in der oberen Qualitätsliga eine Rolle. Welche Methoden im Weinkeller angewandt werden, legen die zertifizierten Weinbaubetriebe offen

Ökoweine sind bei der Blindverkostung einfach nicht mehr herauszuschmecken

von CHRISTINE BERGER

Im Prinzip ist es so wie mit den Schweinen. Da gibt es Leute, denen ist es egal, wo das aufgedunsene Schnitzel auf ihrem Teller herstammt und denken nicht an die armen Viecher in den Großmastanlagen. Und da gibt es die bewussten Fleischfutterer, denen nicht nur daran gelegen ist, dass die Tiere ein schönes Leben haben, sondern die vor allem wissen, dass Qualität mit den Lebensumständen ebensolcher in direkter Verbindung steht. So ist es auch mit dem Wein. Natürlich ist jeder Rebsaft eine Massenware und der Traubenanbau eine Monokultur. Doch was hinterher im Glas landet, hängt ganz entscheidend von der Situation im Weinberg ab und von dem, was der Weinmeister aus den Trauben macht. Längst sind die Zeiten vorbei, in denen umweltfreundlich hergestellte Weine sauer und unausgegoren daherkamen.

Heute heimsen Weine von ökologisch wirtschaftenden Betrieben viele internationale Preise ein, und mancher Winzer ist nicht nur Mitglied im Bundesverband Ökologischer Weinbau Ecovin, sondern auch im Verband der Deutschen Qualitäts- und Prädikatsweingüter (VDP). Gemessen am Anteil von rund ein bis zwei Prozent der gesamtdeutschen Rebfläche, beträgt der Anteil der Öko-Erzeuger unter den Prämierungen häufig gleich das Mehrfache. Die Weinexperten der Fachzeitschrift Alles über Wein zum Beispiel testeten 1999 Öko-Burgunderweine. „Ökoweine sind bei der Blindverkostung nicht herauszuschmecken“, urteilte ein Jurymitglied damals und räumte damit das Vorurteil aus, dass es zwischen herkömmlichen und Ökoweinen Qualitätsunterschiede gebe.

Das hören die Winzer vom Weingut Brüder Dr. Becker im rheinhessischen Ludwigshöhe nur zu gern. Auf halber Strecke zwischen Mainz und Worms produzieren Lotte Pfeffer und Hans Müller seit Mitte der 80er-Jahre auf elf Hektar Rebfläche Weine nach ökologischen Grundsätzen. Fachleute siedeln ihre Weine ganz oben an. So sorgte etwa ihre 2001er Riesling Spätlese zuletzt bei der alljährlichen Selection Rheinhessen für Aufsehen.

Klee, Gräser und Kräuter, das Ausbringen von Kompost, Pferdemist und Gesteinsmehlen stärken in den Becker’schen Weinbergen die natürliche Fruchtbarkeit der Böden und auch die Widerstandskraft der Reben. Nützlinge können sich ansiedeln und helfen, Schädlingsbefall zu regulieren.

So ist denn auch der Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel einer der wichtigsten Kriterien im ökologischen Weinbau. Alle zweihundert deutschen Winzer, die im Ecovin Mitglied sind, verzichten außerdem auf leicht löslichen Mineraldünger. Ein gesunder Boden ist die beste Voraussetzung für stabile, gesunde Pflanzen. Mit dem ökologisch bewirtschafteten Weinberg allein ist es allerdings nicht getan. Erst ein kreatives Händchen im Weinkeller macht aus reifen, gesunden Trauben einen guten Tropfen. Weshalb die meisten Weinkenner der Meinung sind, dass der Ausbau nach allzu puristischen Grundsätzen nicht immer hilfreich ist. „Manchmal tut ein wenig Zucker dem Wein einfach gut“, so der Sommelier und Weinseminarleiter Kurt Fischer. Auch Ökowinzer greifen deshalb zum Zucker, wenn auch Rohzucker, um dem Wein auf die Sprünge zu helfen. Und auch geschwefelt wird in begrenztem Maße, um die Ökoweine haltbarer zu machen – damit der kostbare Rebensaft nach einem halben Jahr nicht wie Essig schmeckt.

Dass preisgekrönte Weine herkömmlicher Machart in der Regel zumindest in Ansätzen nach ökologischen Kriterien produziert werden, ist kein Geheimnis. Denn ein Winzer, der Qualität schaffen will, achtet darauf, dass sein Weinberg hochwertige Trauben abgibt. Und die können nur gedeihen, wenn der Reihenabstand groß genug ist und die Rebstöcke eine optimale Pflege erfahren. „Auch auf Qualitätsweingütern wird allerdings nicht auf die chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel verzichtet“, gibt Beater Fader von der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Weinbau in Oppenheim zu bedenken. Besonders die chemische Behandlung der Reben gegen Schimmelpilze kurz vor der Ernte sei gang und gäbe. Bei herkömmlichen Winzern mit Anspruch könne man daher allenfalls von integriertem Anbau sprechen.

Welche Methoden und Mittelchen dann noch im Weinkeller angewandt werden, behält in der Regel der Winzer für sich. Nur die zertifizierten Weinbaubetriebe von Ecovin, Natur- oder Bioland, die regelmäßig kontrolliert werden, müssen Farbe bekennen. Fazit: Schummeln gilt nicht.