Stadionfinanzierung bleibt vage

Der Präsident des FC St. Pauli, Reenald Koch, spricht über kreative Wege zur Eigenkapitalgewinnung und bietet kaum Alternativen. Selbst Baukostenzuschüsse und der Verkauf des Stadionnamens könnten das Projekt kaum finanzieren.

Interview: MARCO CARINIund OKE GÖTTLICH

taz: Herr Koch, wie fällt die Bilanz Ihrer knapp zweijährigen Präsidentschaft beim FC St. Pauli auf der bevorstehenden Jahreshauptversammlung (JHV) aus?

Reenald Koch: Die Bilanz, die das gesamte Präsidium vorweisen wird, lautet, dass wir den Verein komplett entschulden und in der vergangenen Saison einen Gewinn in Höhe von 3,1 Millionen Euro erwirtschaften konnten. Außerdem haben wir heute am Brummerskamp ein Nachwuchsleistungszentrum, welches für den FC St. Pauli einmalig ist, und für den Lizenzspielerbereich Trainingsmöglichkeiten geschaffen, wie es sie noch nie in diesem Verein gegeben hat. Zu guter Letzt sind wir mit der Stadionkonzeption erheblich weitergekommen. Die vorliegenden Architektenentwürfe wurden von namhaften Baufirmen unter Kostengesichtspunkten genau geprüft. Wir können deshalb heute sagen, dass wir für das Stadion eine Baukostensicherheit haben, die sich zwischen 40 und 45 Millionen Euro bewegt. Diese Sicherheit ist eine bindende Voraussetzung für jeden Finanzierungsplan.

Sie haben aber angekündigt, der JHV nicht nur sagen zu können, was das Stadion kostet, sondern auch ein nachprüfbares Konzept zu präsentieren, wie das Stadion finanziert werden kann.

Ich habe nie von einem nachprüfbaren Finanzierungskonzept gesprochen, sondern über ein Stadionkonzept. Innerhalb dieses Konzepts wird es auch ein Finanzierungskonzept geben.

Welches in erster Linie aus Fördermitteln aus Brüssel und Hamburg in zweistelliger Millionenhöhe aufbaut.

Es wäre fahrlässig, wenn wir uns nicht um Fördermittel bemühen würden. Unsere Aufgabe ist, das kostengünstigste Angebot für den FC St. Pauli herauszuarbeiten. Dazu gehören auch Anträge für Fördermittel. Es ist niemals behauptet worden, dass diese allein ausreichen würden, um eine Stadionfinanzierung zu realisieren. Auf der Mitgliederversammlung wird allen Anwesenden die Konzeption vorgestellt, und dann werden sie sehen, dass die Arbeit des Präsidiums und der Stadionbetriebsgesellschaft sehr seriös gewesen sind. Mehr werde ich zu diesem Punkt heute nicht sagen.

Wir müssen trotzdem nachhaken: Nach unseren Informationen können sie im besten Falle mit rund zwei Millionen Euro Fördermitteln rechnen, die bei einem Gesamtvolumen von 110 Millionen für Stadion und Mantelbebauung nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Wenn vereinsintern von Zuwendungen von über 30 Millionen Mark die Rede ist, muss es doch ein Leichtes sein, Förderrichtlinien vorzulegen, aus denen hervorgeht, dass es zumindest theoretisch Gelder in dieser Höhe gibt, die für das Stadionprojekt angezapft werden können.

Wichtig ist, dass im Rahmen der Stadionfinanzierung Fördergelder eine Rolle spielen werden. In welchem Umfang, können wir nicht sagen, weil die Anträge noch in der Vorbereitung sind und wir entsprechende Gespräche mit der Stadt führen müssen. Außerdem ist der Aufsichtsrat dem Wunsch gefolgt, Fördermittel zu beantragen. Es gibt also keine Alleingänge, sondern die notwendigen Gremien des Vereins sind befragt worden.

Wie will der Verein das Stadion denn finanzieren, wenn der erhoffte Förderregen in zweistelliger Millionenhöhe nicht über St. Pauli niedergeht?

Es werden Gespräche über den Verkauf des Stadionnamens geführt werden, um Eigenkapital zu bekommen, sofern das bei der heutigen Wirtschaftslage überhaupt möglich ist. Sicherlich wird ein Baukostenzuschuss der Hansestadt Hamburg ein zusätzliches Moment bilden müssen. Ansonsten wird es nach wie vor sehr schwer werden, dieses Stadionprojekt über einen klassischen Weg zu finanzieren. Aufgrund unserer bescheidenen Vermögenslage sind wir nach wie vor nicht in der Situation, zu irgendeiner Bank hinzugehen, um Gelder in dieser Größenordnung zu akquirieren.

Wir bieten Ihnen die Wette an, dass auch 2003 kein Bagger gen Millerntor rollt. Schlagen Sie ein?

Da schlage ich ein.

Bislang haben Sie nur über das Stadion, nicht aber über die wesentlich teurere Mantelbebauung gesprochen, deren Vermietung die wesentliche Voraussetzung zur langfristigen Finanzierung des Stadions und der Akquise von Fördermitteln sein soll.

Diese Baukostensicherheit für die Vorplatzbebauung wird derzeit ermittelt. Solange hier noch kein endgültiges Ergebnis vorliegt, können wir hierzu kein Statement abgeben.

Zur Zeit verfügen Sie aber nicht einmal über die Rechte an den vorliegenden Plänen der Mantelbebauung, da die Stadionbetriebsgesellschaft sich standhaft weigert, überfällige Architektenrechnungen zu zahlen.

Da wir uns im Rechtsstreit befinden, werde ich keinen Kommentar abgeben. Wir würden das nicht tun, wenn wir nicht der Meinung wären, es würde sich nicht für den Verein lohnen.

Präsidiumsmitglied Christian Pothe hat Aufsichtsratsmitglied Jost Münster mit wahrheitswidrigen Behauptungen unter Beschuss genommen, indem er bestritten hat, dass die Insolvenz der Stadionbetriebsgesellschaft je Thema im Präsidium war. Muss der Präsident da nicht eingreifen?

Der Präsident wird mit beiden ein gemeinsames Gespräch führen, und dann wird es eine entsprechende Erklärung geben, die den Sachverhalt aufklären wird.

Ist die Insolvenz der Stadionbetriebsgesellschaft nun Thema in Präsidiumssitzungen gewesen oder nicht?

Ja, ich weiß es definitiv. Wir haben im Rahmen unserer Pflichten über die finanzielle Lage der Gesellschaft gesprochen, und da mag auch das Wort Insolvenz gefallen sein. Nicht mehr und nicht weniger. Über eine drohende Insolvenz hätte der Aufsichtsrat sofort informiert werden müssen. Das Gerede ist also am Thema vorbei.

Wo wir gerade bei vereinsinternen Querelen sind: Sie haben den Mannschaftsrat, den Physiotherapeuten und auch den damaligen Trainer-Praktikanten Stefan Studer als Kronzeugen für die mangelhafte Arbeit von Ex-Trainer Dietmar Demuth ins Feld geführt. Die Angesprochenen haben die ihnen zugeschriebenen Äußerungen aber dementiert.

Keiner der Angesprochenen hat mich der Lüge bezichtigt, wie die taz behauptet hat.

Da haben wir andere Infos ...

... die aber nicht stimmen. Ich habe niemanden falsch zitiert. Stefan Studer wird jederzeit wiederholen, was er mir mitgeteilt hat. Außerdem habe ich nie behauptet, dass der Mannschaftsrat den Rausschmiß von Demuth gefordert hat. Deshalb muß ich hier auch nichts dementieren.

Falsch ist sicher auch, dass Sie Franz Gerber den Posten als Sportdirektor angeboten haben, ohne Demuth und Stephan Beutel davon vorher zu informieren?

Ich habe das erste Gespräch mit Franz Gerber im Januar geführt. Dann habe ich im Januar oder Februar Dietmar Demuth über die Umstrukturierung informiert und auch den Namen Franz Gerber genannt.

Auch Herrn Beutel haben Sie natürlich frühzeitig informiert?

Nein, Herrn Beutel habe ich nicht informiert.

Morgen sehen Sie sich mit mehreren Abwahlanträgen konfrontiert, wobei Ihnen laut Satzung ein Drittel der Stimmen reicht, um im Amt zu bleiben. Werden Sie auch ohne Mehrheit Präsident bleiben?

Geht es nach der Faktenlage, wird es eine eindeutige Aussage in Richtung des Präsidenten geben müssen. Ich gehe von einem klaren Votum aus.

Das beantwortet die Frage nicht.

Meine Aufgabe ist, den Verein nach der Satzung zu führen. Für mich ist die Satzung bindend.

Nicht so bindend, dass zwei Wochen vor der JHV eine Bilanz vorgelegen hätte, wie es die Satzung vorschreibt.

Es hat zwar kein Testat, aber ein Bilanzentwurf rechtzeitig vorgelegen. Das ist aus meiner Sicht ausreichend und satzungskonform.