Rechtsgestrickte Hauspoeten

Die „Krone“ macht in Österreich Politik. Und Arte durfte dabei zusehen (22.15 Uhr)

Wer kann die Bild-Zeitung noch in den Schatten stellen? Kaum zu glauben, aber die Krone schafft’s. Die Neue Kronen Zeitung aus Wien ist weit „erfolgreicher“ als ihre deutsche Boulevard-Schwester. Schon die Leserzahl spricht für sich: 2,7 Millionen Menschen erreicht das Blatt (Auflage: 1,03 Millionen Exemplare) täglich in der Alpenrepublik. Das sind stolze 43 Prozent aller Zeitung lesenden Österreicher.

Mit ihren Lokalteilen ist sie selbst noch in den verwinkeltsten Bergtälern präsent. Denn die Krone überlässt keine Region und kein Thema einem anderen Medium. Sie versucht förmlich, das gesamte politische Geschehen in Österreich aufzusaugen – und in der der großen Politik mitzumischen. In den vergangenen Jahrzehnten hat das Blatt mit seinen Kampagnen fast immer beeinflusst, wer im Parlament die Regierung stellte. Die Krone entschied über die Karriere unzähliger Politiker – wie zuletzt auch über den Erfolg des Rechtspopulisten Jörg Haider und seiner FPÖ.

Besuch aus Belgien

Doch wie wird so eine Zeitung gemacht? Wer steckt dahinter, und wem verdankt sie ihre Machtfülle? Arte lässt die belgische Regisseurin Nathalie Borges beim Krone-Hochhaus anklopfen – und sie hatte Glück. Sie bekam Eintritt und Einblick in eine Welt, die bislang nur Insider kannten. Herausgeber, Kolumnisten und Karrikaturisten plauderten buchstäblich aus dem Nähkästchen.

Unbekümmert, als sei es ihnen egal, was die weite Welt von der Krone denkt, und sich wohl bewusst, das Filmchen auf Arte werde wohl kaum jemand in Östereich selbst zur Kenntnis nehmen. So bekunden Journalisten offen Sympathie für Haider, erklärt der Bischof von St. Pölten, warum er unter dem Pseudonym „Christianus“ gegen Abtreibung, Homosexualität und Prostitution wettere und der Krone-Hauspoet (so was gibt es dort) erklärt, er schreibe regelmäßig kurze Gedichte, um die Gefahr „ausländischer Überfremdung“ mit kleinen Schmunzelreimen zu problematisieren. Eine bedenkliche Schwachstelle des Films: Dass dieses einzigartige, hochpolitische Presseprodukt zur Hälfte der WAZ-Gruppe gehört, wird nur im Halbsatz erwähnt. Dabei steht die Krone in krassem Kontrast zum politisch bewusst vieldeutigen WAZ-Modell, bei dem die Rendite stets mehr zählt als jeder Einfluss.

Dafür kommt []Krone-Herausgeber Hans Dichand ausführlich zu Wort, dem die andere Hälfte des Blattes gehört. Sein Erfolgsrezept: Die Krone „hört auf das, was die Menschen in Österreich fühlen und denken. Und versucht, immer eine Nasenlänge voraus zu sein, nicht mehr, um den Menschen auch immer nahe zu bleiben“, sagt Dichand. Als Kommentator (Pseudonym: „Cato“) schreibt er höchstselbst im Blatt – für WAZ-Gewaltige wäre das undenkbar. ROLAND HOFWILER