Surfen ohne Passkontrolle

Datenschützer protestieren gegen Pläne zum Ausbau der Überwachung im Internet. Bundesrat fordert Speicherung der Daten für mindestens ein Jahr

BERLIN taz ■ Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder wenden sich entschieden gegen die Absicht, sämtliche Nutzerdaten im Internet und anderen elektronischen Netzen zu speichern, damit sie für Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stehen. Die 64. Konferenz der Datenschutzbeauftragten in Trier forderte die Bundesregierung gestern auf, entsprechende Pläne, die in der Bundesrepublik wie auch auf europäischer Ebene diskutiert werden, nicht weiterzuverfolgen.

So hat der Bundesrat auf Antrag der unionsgeführten Länder gefordert, alle Anbieter von Telekommunikations- und Multimediadiensten zu verpflichten, sämtliche Bestands-, Verbindungs-, Nutzungs- und Abrechnungsdaten auf Vorrat für wenigstens ein Jahr zu speichern. Auf dieses umfassende Datenreservoir sollen Strafverfolgungsbehörden, die Polizei und der Verfassungsschutz zugreifen können. Auch die EU-Mitgliedstaaten diskutieren im Rahmen ihrer Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres entsprechende Maßnahmen.

Die Datenschutzbeauftragten betonten, dass das Telekommunikationsgeheimnis die unabdingbare Voraussetzung für eine freiheitliche demokratische Kommunikationsgesellschaft sei. Gleichzeitig wiesen sie darauf hin, dass die geplanten Maßnahmen im Internet einen ungleich höheren Überwachungsdruck erzeugen würden als bei vergleichbaren Medien. So müsse bisher niemand bei der Aufgabe eines einfachen Briefes im Postamt seinen Personalausweis vorlegen oder in einer öffentlichen Bibliothek registrieren lassen, welche Seite er in welchem Buch aufschlägt.

Die Datenschutzbeauftragten weisen weiter darauf hin, dass der Gesetzgeber erst vor kurzem im Rahmen der so genannten Antiterrorpakete die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden deutlich erweitert hat. Bevor erneut weiter reichende Befugnisse angemahnt würden, sollten zuerst die praktischen Erfahrungen mit den neuen Regelungen evaluiert werden.

Deutschlands Datenschützer sehen sich auch in Übereinstimmung mit ihrem EU-Pendant. Am 11. September hat die Konferenz der europäischen Datenschützer in einer Erklärung betont, dass eine flächendeckende und anlassunabhängige Speicherung sämtlicher Nutzungsdaten nicht nur unverhältnismäßig, sondern auch mit dem Menschenrecht auf Achtung des Privatlebens nicht vereinbar wäre. Eine routinemäßige verdachtslose Speicherung der Nutzungsdaten sei auch mit dem deutschen Verfassungsrecht nicht zu vereinbaren. WOLFGANG GAST