DaimlerChrysler lässt Vorwürfe prüfen

Kommission soll untersuchen, ob argentinische Konzerntochter mit Hilfe des Militärs Betriebsräte beseitigen ließ

BERLIN taz ■ Der Vorstand des Automobilkonzerns DaimlerChrysler hat gestern beschlossen, das mutmaßliche Verschwinden von 14 Betriebsräten und kritischen Gewerkschaftern im argentinischen Werk Gonzales Gatan von Mercedes Benz 1976 und 1977 zu untersuchen. Damals herrschte in Argentinien eine Militärjunta, die tausende Oppositioneller „verschwinden“ ließ.

Eine unabhängige dreiköpfige Kommission soll den Fall untersuchen. Die Ermittlungen würden von dem Berliner Völkerrechtler Christian Tomuschat geleitet, gab der Betriebsratsvorsitzende Erich Klemm gestern bekannt. Die Kommission, die von amnesty international beraten wird, soll dem Vorwurf nachgehen, ob die Betriebsräte auf Veranlassung, unter Beteiligung oder mit Duldung der Werksführung von der Junta entführt und ermordet wurden.

Zum Auftrag gehört auch, die damaligen Verhältnisse in dem Werk bei Buenos Aires sowie die „impliziten oder expliziten Leitlinien“ der damaligen Unternehmenspolitik „gegenüber dem argentinischen Militär“ zu untersuchen. So will der Konzernvorstand wissen, ob das Unternehmen zur Machtergreifung der Militärs oder deren Machterhaltung beigetragen hat. „Es war höchste Zeit, eine solche Kommission einzurichten“, sagte Klemm gestern der taz. „Wenn solche schwer wiegenden Vorwürfe im Raum stehen, hilft nur Offenheit.“ Ein DaimlerChrysler-Sprecher betonte gegenüber der taz, dass eine interne Untersuchung keine Hinweise auf die Beteiligung von Mercedes Benz Argentina oder einzelnen Mitarbeitern an dem Verschwinden der 14 gefunden habe. Man setze jetzt die Kommission ein, „um den dennoch in der Öffentlichkeit geäußerten Verdachtsmomenten nachzugehen“, so Sprecher Thomas Föhlich. „Wir nehmen das ernst.“

Gestern reichten in Buenos Aires Angehörige der 14 Verschwundenen Strafanzeige gegen den Konzern, beteiligte Militärs und die damalige Automobilarbeitergewerkschaft wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ ein. Die Klage stützt sich auf die Aussage eines Arbeiters, der bezeugt, dass der damalige Produktionschef in seinem Beisein die Privatadresse eines der 14 Verschwundenen weitergeleitet habe. Dieser wurde darauf verschleppt und nach Zeugenaussagen in einem Lager gefoltert. Der damalige Produktionschef bestreitet den Vorwurf. Die Kläger reichten gestern weitere Unterlagen ein, die ihre Vorwürfe gegen Mercedes Benz Argentina erhärten. SVEN HANSEN