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: Eingekeilt: Der DJ als Teil des Gesamtkunstwerks

Die Freuden der Monozentrik

Mögen Sie Monozentrik? Um ehrlich zu sein: ich ja. Zumindest, seit dieses Wort mir gegenüber vor kurzem geäußert wurde, im Zusammenhang mit der musikalischen Rolle des DJs im Nachtleben. Es bedeutet nichts anderes als: im Club bestimmt alleine der DJ die Musik. Monozentrisch. Und das ist anscheinend irgendwie fragwürdig. Das macht nicht genug her. Das kann irgendwie nicht angehen.

Der Fakt wird immer wieder problematisiert. Es wird nach Auswegen gesucht, als wenn es ein Dilemma wäre, dass DJs die einzigen okayen Diktatoren des Dancefloors sind. Bisweilen wird sogar über direktdemokratische Entscheidungsprozesse nachgedacht: unter Einsatz des World Wide Web etwa, sodass zum Beispiel ein Sesselfurzer aus Sydney über die Musik im Kölner Funky Chicken Club mitentscheiden kann.

Technisch unkomplizierter und von ungleich höherem Schauwert ist jedoch der Einsatz von Live-Musikern aus Fleisch und Blut. Ein immer wieder gern praktiziertes Prinzip, und nicht per se fragwürdig. Obwohl …

Meistens sind es Percussionisten, manchmal ein Saxofonspieler. Neulich in Hamburg hatte man mir sogar beides beigeordnet. Wurden aber früher, als diese Idee noch experimentell war, die DJs und die Musiker schon Wochen vorher psychologisch aufeinander eingestellt und unmittelbar vor der Performance durch gemeinsames Essen, Trinken und Rauchen noch einmal zusätzlich füreinander sensibilisiert, wird auf derlei Rituale heute weitgehend verzichtet. Die Geschichte hat gezeigt, dass es dadurch nicht besser wird.

Das heißt nicht, dass auf das Konzept als solches verzichtet wird. Man sagt bloß lieber nicht mehr vorher Bescheid. Stattdessen ist der plötzliche Anblick stundenlang aufgebauter und mikrofonierter Batterien meist eine echte Überraschung, wenn nicht oft eine vollendete Tatsache. Die aufwändige Anordnung des Materials verheißt: Es wird maximal ausgeschöpft werden. Ich habe hier ein Paar Timbales, Congas, Bongos, drei Rumbanüsse, ein Tamburin, diverse Shaker, einen Vibrasnap, Triangeln, Becken und Klanghölzer sowie einen Gong, und ich werde sie benutzen. Voller Engagement und Enthusiasmus wird das Arsenal bearbeitet, es ist ein einziges Solo, man steigert sich in einen Rausch. Im Grunde ist jede Platte mit Percussion jetzt überflüssig. Das betrifft etwa die gesamten Genres House und Disco. Also so meine Bandbreite.

Dieser melancholische Zustand der Geworfenheit wird wirkungsvoll untermalt von nicht enden wollendem, jazzigem Hupen auf der Gießkanne. Weil die beiden hypnotisierten Musiker mit ihren äußerst durchsetzungsfähigen Akustikinstrumenten direkt vor dem Pult platziert sind, überdröhnen sie den Monitor, den Kopfhörer und jeden fürsorglichen Geist, der den DJ bitten möchte, nicht so faul zu sein, den zweien eine Pause zu gönnen und Bastardpop zu spielen. Anstelle des Dancefloorgeschehens sieht dieser drei Stunden lang nur die wippenden Hintern der versunken Jammenden. Auf Augenhöhe vor der Nase, versteht sich.

Währenddessen ist er darauf beschränkt, Platten mit viel akustischem Raum zu spielen: Sparsame Tracks mit wenig Elementen, die atmen, die Raum entfalten. Viel Platz, der nun mit unter Umständen völlig uninspiriertem Gedudel und Gerappel gefüllt wird: Oh Gott, wie mehr oder weniger tight sind die denn?

Aber immer noch besser als Livebeteiligung aus dem Internet. Die Erlebniswelt der Clubs und Raves hat bei vielen eine Vorstellung von universaler Verschmelzung erzeugt, aber wir wollen es doch nicht zu weit treiben. Der DJ hat eine lange Geschichte zu erzählen, bitte nicht dazwischenquasseln.

Das heißt nicht, dass Verstärkung generell unerwünscht ist: Sie sollte nur nicht musikalischer Natur sein. Action Painting etwa ist sehr willkommen. Oder Pantomime. Und gern gesehen werden auch Luftgitarren, gespielt von Gogoboys.

HANS NIESWANDT