Ein Macher mit Sympathien für Reformer

Der Präsident der Bir-Zeit-Universität, Hanna Nasser, soll die palästinensischen Wahlen im Januar organisieren

Da hat der palästinensische Präsident ausnahmsweise eine glückliche Hand gehabt: Als Jassir Arafat Anfang der Woche dem 66-jährigen Hanna Nasser die Leitung der Kommission zur Vorbereitung der für Januar angesetzten Präsidentschafts- und Kommunalwahlen übertrug, erntete er Beifall von allen Seiten. Hanna Nasser, seit fast 30 Jahren Präsident der liberalen Bir-Zeit-Universität, gilt als integre und überparteiliche Persönlichkeit – mit Sympathien für Reformer und Demokraten.

Obwohl er viele Jahre im PLO-Exekutivkomitee gearbeitet hat, ist er nie Mitglied einer der zahllosen Fraktionen gewesen. „Arafat ist nicht mein Freund und nicht mein Feind“, sagt Nasser über sein Verhältnis zum Präsidenten. Das steigert seine Glaubwürdigkeit noch. Die Aufgabe, vor der er nun steht, ist schwierig: Für das neue Wahlgesetz, das den Übergang vom Mehrheits- zum Verhältniswahlrecht markieren soll, liegt dem Parlament erst ein Entwurf vor. Und das Wählerverzeichnis ist anscheinend durch israelische Bombardements teilweise zerstört. „Aber das sind logistische Schwierigkeiten“, sagt Nasser zuversichtlich. Weit mehr Sorgen bereitet ihm die durch die israelische Armee eingeschränkte Bewegungsfreiheit der Palästinenser: „Das muss sich ändern, wenn wir wählen.“ Am Januartermin will er versuchen festzuhalten.

Mit derartigen Schwierigkeiten hat Nasser in seinem Leben reichlich Erfahrungen gesammelt: Als nach Arafats Rede vor der UNO 1974 die Bir-Zeit-Studenten auf dem Campus für die PLO demonstrierten, wurde Uni-Präsident Nasser von israelischen Soldaten abgeholt. Mit verbundenen Augen wurde er verschleppt – und fand sich Tage später im Libanon wieder. Nasser schlug sich nach Amman durch, mietete dort ein Büro und dirigierte die Bir-Zeit-Universität fortan 19 Jahre lang per Fax und Telefon. „Wenn wir immer gleich aufgeben, werden wir das Ende der Besatzung nie erleben“, lautet seitdem das Credo des 1936 in Jaffa geborenen Nasser.

Nasser entstammt einer bekannten christlichen Familie aus dem nahe Ramallah gelegenen Dorf Bir Zeit. Sein Vater Musa wurde 1960 Außenminister von Jordanien, das nach dem Krieg 1948/49 die palästinensischen Gebiete verwaltete. Hannas Cousin Kamal Nasser war ein berühmter Dichter und PLO-Führer, bis er 1973 in Beirut ermordet wurde. Hannas Großtante Nabiha Nasser, „in ihrer Beharrlichkeit ein großes Vorbild für mich“, wie er bekennt, gründete 1924 aus Empörung über den Mangel an Bildungseinrichtungen die erste Grundschule von Bir Zeit.

In ebenjener Schule wurde Hanna Nasser eingeschult. Später studierte er Physik, zuerst in Beirut, dann an der Purdue University in den USA, wo er promovierte. Nach seiner Rückkehr nach Bir Zeit tat er es seiner Großtante Nabiha gleich – und machte aus der von ihr erbauten Schule, die sich im Laufe der Jahre schon zu einer High-School entwickelt hatte, Schritt für Schritt eine Uni. Heute gilt sie als beste des Landes.

Nasser, der mit einer Opernsängerin verheiratet ist, galt stets als moderat. Mit seiner Kritik an der israelischen Besatzung hat er aber nie hinter dem Berg gehalten. Davon zeugen zahllose Kommentare in internationalen Zeitungen sowie die regelmäßige Teilnahme an Studentendemonstrationen, wenn „seine“ Uni wieder einmal abgeriegelt werden soll. YASSIN MUSHARBASH