Blechtrommeln gegen den Krieg

Ein Literaturfreund aus Bagdad: Der irakische Zahnarzt Ali Abdel Amir Salah hat Günter Grass ins Arabische übersetzt

Die Grass-Bücher hat er aus zweiter Hand erstanden, in einer englischen Übersetzung

„Kairo schreibt, Beirut druckt und Bagdad liest“, lautet ein arabisches Sprichwort. Dr. Ali Abdel Amir Salah ist ein kurioses Produkt dieser irakischen Vorliebe für Literatur. Besonders angetan hat es ihm Günter Grass. „Der ist ein Autor der Ewigkeit, ähnlich wie Thomas Mann“, sagt Dr. Salah, während er in einem kleinen Café im Zentrum Bagdads seinen Tee trinkt.

Dr. Salah weiß, wovon er spricht. Er hat sowohl „Die Blechtrommel“ als auch „Katz und Maus“ in Arabische übersetzt. Beide Ausgaben, mit Grass-Skizzen auf der Titelseite, liegen vor ihm auf dem Cafétisch. Ungefähr tausend Exemplare sollen laut dem Verleger insgesamt auf dem irakischen Markt kursieren. Inzwischen werden schon Kopien herumgereicht.

Eigentlich ist Dr. Salah Zahnarzt. Das mit den Übersetzungen macht er nebenbei. Ein Hobby, das er nicht nur in jeder freien Minute in seiner Praxis, sondern, zum Leidwesen seiner Frau, auch nach Feierabend betreibt. Neben Grass hat Dr. Salah auch Werke von Graham Greene und Beiträge für irakische Kulturzeitschriften übersetzt.

Auf Grass ist der irakische Zahnarzt durch Zufall gestoßen, als er vor zehn Jahren in einem Armenviertel seines Heimtortes al-Kut, 180 südlich von Bagdad, bei einem Buchhändler zehn gebrauchte Exemplare verschiedener ausländischer Romane erstanden hatte. Darunter auch zwei englische Übersetzungen der „Blechtrommel“ und von „Katz und Maus“, die er dann seinerseits begann ins Arabische zu übertragen. Es war schwierig, nach Beginn der UN-Sanktionen gegen den Irak Bücher aufzutreiben, erinnert er sich. Die Leute hatten kein Einkommen und andere Prioritäten. Die zehn Bücher von damals kosteten genau so viel wie zwei Kilo Mehl.

Für den Zahnmediziner Saleh waren sie von unschätzbarem Wert. „Die Blechtrommel“ hat ihm gleich gefallen. „Das ist ein sensibler Protest gegen den Wahnsinn unserer Zeit, und der Held Oskar, der nicht wachsen will und immerzu nur trommelt, ist ein Symbol für diesen Protest“, erklärt er. Die Geschichten der Völker und Länder seien ähnlich. Ob Deutsche, Palästinenser oder Iraker, am Ende kämpften alle gegen Ungerechtigkeit, sagt Dr. Salah: Für alle habe die Blechtrommel eine Botschaft.

Dr. Salah hat auch schon einen eigenen Roman geschrieben. Die Geschichte eines Zahnarztes, der sich in seine Patientinnen verliebt. Jeder von ihnen hat der Zahnarzt einen Mundspiegel mit eigenem Insignium des ersten Buchstabens des Vornamens gewidmet. Am Ende verreisen die Geliebten nach und nach, ins irakische Basra, nach Damaskus und nach Rom. Er hat die Geschichte „Der fliegende Holländer“ genannt. Der sei auch rastlos auf der Suche nach Liebe umhergereist. Aber seine Geschichte sei eben eine irakische Liebesgeschichte. Der Zahnarzt selbst kann nie verreisen.

Manchmal schreibt er Briefe an verschiedene Schriftsteller, um zu fragen, wie sie dieses oder jenes genau gemeint haben. Nur kommen diese meist nicht an, da viele Länder aufgrund des UN-Embargos keine Post aus dem Irak zustellen. Auch Grass hat er vor sechs Jahren ein paar Zeilen geschrieben. Eine Adresse hatte er keine. Grass, glaubte er, sei wohl in Deutschland und damit den Beamten der Deutschen Post genug bekannt, also hat er den Umschlag nur mit „Günter Grass Germany“ versehen. Eine Antwort hat er bis heute nicht erhalten. KARIM EL-GAWHARY