preisgelder, deadlines etc.
: Geld verdienen mit Literaturpreisen

Warum also nicht Frau Ava?

Für einen Schriftsteller scheinen die Möglichkeiten, an Geld zu kommen, Legion. Nahezu jeder neue Tag wird um Mitternacht von einer anderen Deadline durchquert. Es sind so viele, dass der Förderkalender in der Draufsicht wie eine von Einsendeschlüssen schraffierte Skizze aussehen muss. Allerdings handelt es sich um ein Phänomen, das ebenso gut unbemerkt an einem vorübergehen kann. War die Deadline zum Walter-Serner-Preis im letzten Jahr nicht erst der 31. Oktober?

Das sind Fragen, die sich einstellen, wenn die Pressemitteilung mit der Bekanntgabe des diesjährigen Gewinners in der eigenen Mailbox eintrifft und man sich selbst nur noch dazu gratulieren kann, die Ausschreibung nicht richtig gelesen zu haben. Aber es soll keine Gelegenheit mehr unbemerkt verstreichen. Ab jetzt gehört alles in die Verwertung.

Der Frau-Ava-Literaturwettbewerb richtet sich nur an Frauen (das ist gut, weil ich eine bin und es die Konkurenz halbiert), die sich auf „innovative Weise in Sprache und Form mit Themen im Spannungsfeld von Spiritualität, Religion und Politik auseinander setzen“. Das Preisgeld von 10.000 Euro kann allerdings nicht bar ausgezahlt werden, sondern besteht in einer Statuette und einer voll finanzierten Lesereise durch die kleinen Höllen Oberösterreichs. Das lohnt sich doch nicht. Andererseits ist es beispielsweise auch nicht lohnender, für die taz zu schreiben oder dort zu lesen, wo die Gage aus schlechtem Rotwein für lau besteht. Letzteres hat aber zumindest den Vorteil, dass man sich die Gage im Laufe des Abends selbsttätig immer weiter heraufsetzen kann. Zugegebenermaßen birgt das die Gefahr, dass man den darauf folgenden Tag gleich mit auf der Verlustseite notieren kann.

Warum also nicht Frau Ava? Möglicherweise unterschätze ich ja auch das unerhörte Medienecho, das sich von der Kirche St. Blasien in Kleinwien aus, wo am 23.April 2003 die Preisverleihung stattfindet, wellenförmig über die deutschsprachige Literaturszene ausbreiten wird. Und führt nicht ein Preis, geradezu magisch, zum nächsten?

Da ich annehme, dass mit der gewünschten „innovativen Weise“ der Auseinandersetzung radikale Kleinschreibung, exaltierte Innenschau und phantasmatische Sexualität gemeint ist, schicke ich meine junge, weibliche Hauptfigur Pia in das religiöse Jugendcamp von Taizé und lasse dort den Konflikt zwischen schwärmerischer Verliebtheit in Frère Juan bei ebensolcher Frömmigkeit über sie hereinbrechen.

„vereinzeltes gelächter drehte sich in den nachthimmel über den zelten. die jugendlichen felder lagen im dunkeln. ‚ihr seid teuer erkauft, werdet nicht knechte von menschen‘, dachte pia, als sie ihr zelt verließ und die kühlere luft atmete. ruhig war es, doch in ihrem inneren schlug ein frühes verlangen, tobte, war brandig und stark.“

Und so weiter. Bei Zeichen 31.200 kommt mir während einer kurzen Pause die Idee, die „Frau Ava Gesellschaft für Literatur“ im Internet aufzusuchen, wobei ich feststellen muss, dass ihr Vorstand fast ausschließlich aus Pastoren und Äbtissinnen besteht. In empathischer, vorauseilender Zwangsidentifikation mit den Vorlieben der ausschreibenden Institution, verwerfe ich die Geschicke der destabilisierten Pia in Taizé und fange von vorne an. Meine neue Protagonistin ist die Konstanzer Mediävistin Konstanze, die während ihrer Beschäftigung mit den Handschriften einer unterschätzten mittelalterlichen Mystikerin beschließt, ihr Leben grundlegend zu ändern. Innovativ ist diese Version, weil sie von vorne bis hinten in einem hybriden, modernisierten Pseudo-Mittelhochdeutsch gehalten ist. Wenn ich den Preis gewinne, kann ich meinen gesamten Jahresurlaub während einer Tournee durch die Gemeindezentren Oberösterreichs verballern. Super.

Der siebte Harder Literaturwettbewerb beläuft sich auf 4.500 Euro und birgt noch den einen oder anderen Förderpreis von je 1.000 Euro. Das Motto lautet „Verdichtungen“ und Teilnehmer sind zur Einsendung von Aphorismen aufgerufen, „die mit schlagender Prägnanz Gedankentiefes aussagen“. Prägnant schlage ich eine Weile auf meine Gedanken ein, insbesondere auf die Gedanken, die bereits darüber nachdenken, ob 4.500 Euro Grund genug sind, einen sicheren Job aufzugeben. Trotzdem kann ich schon bald mit drei ebenso tiefen wie knappen Einsichten aufwarten: „Das Beste am Gehen ist doch das Durchdrücken der Kniee.“ Und: „Katastrophen sind meistens so groß wie das Saarland.“ Zuletzt: „In den 80er Jahren haben die Menschen immer zu lange gefrühstückt. Dafür gibt es Beweise.“

Mit solcher Weisheit bewehrt kann ich mich zuletzt dem Preis zuwenden, den Dulzinea, die „Zeitschrift für Lyrik und Bild“, ausgelobt hat – und den ich schon im letzten Jahr nicht bekommen habe. Damals ging es um Sehnsucht, heute darum, für 500 Euro das Thema der „Münchhauseniade – (moderne) humoristische Wege ins Absurde“ lyrisch zu verarbeiten. Was die einfachste Übung zu sein schien, kostet mich einiges an Zeit, und das Preisgeld schrumpft mit den zeitaufwändigen Überarbeitungen auf einen Stundenlohn, für den ich nicht einmal den Hund meines Nachbarn ausführen würde. Wenn das noch länger dauert, kann ich den Herausgebern von Dulzinea die 500 Euro von meinem Konto überweisen.

MONIKA RINCK