Herz und Gedärm

Mit „Eine Braut für Dino Rossi“ erscheinen nun auch die Kurzgeschichten des verstorbenen amerikanischen Schriftstellers John Fante auf Deutsch

von FRANK SCHÄFER

Fante konnte nur über sich selbst schreiben. Jedenfalls wenn er literarisch schrieb. Als Drehbuchautor hätte man ihm Studioverbot erteilt, wenn er den Regisseuren mit Storys aus dem beschwerlichen Alltag der italienischen Immigranten gekommen wäre. Deren geringe bzw. nicht vorhandene Aufstiegschancen widerlegen nämlich ganz hübsch den amerikanischen Nationalmythos. Nicht gerade der Stoff, aus dem die Träume sind …

Aber in John Fantes zehn Büchern, von denen bisher immerhin sieben auf Deutsch erschienen und allesamt nicht mehr lieferbar sind, geht es ausschließlich um ihn, um sein Schicksal, seine Erfahrungen als Sohn einer armen, noch nicht ganz assimilierten Einwandererfamilie. Kein Wunder also, dass ein ebenfalls manisch autobiografischer Autor und Outcast wie Charles Bukowski Fante als seinen „Gott“ pries und bei sei seinem Verlag Black Sparrow Press Anfang der Achtziger gleich ein paar Neuauflagen durchsetzte, die in den USA so eine Art Fante-Renaissance auslösten.

Aber noch etwas hat Bukowski begeistert. Hier gab es einen Ahnen zu entdecken, ein ähnliches Schriftstellertemperament, das für seine Zeit, und das sind vor allem die Zwanziger- und Dreißigerjahre, und sein Soziotop leistete, was Buk für seine Gegenwart und Umgebung sich vorgenommen hatte. Dieses Schreiben „aus dem Herzen und aus dem Gedärm heraus“. Da ist es nahe liegend, dass sein deutscher Hausverlag Maro mit dem gerade erschienenen Storyband „Eine Braut für Dino Rossi“ wieder mal eine Übersetzung vorlegt – wie schon 1982 mit „Ich – Arturo Bandini“, laut Bukowski einem der besten in den USA publizierten Romane.

Nun, die Erzählungen sind auch nicht schlecht, und insofern darf man durchaus hoffen, dass sie als Appetizer ordentlich Fante-Kohldampf machen. Das Wesentliche seiner Bücher findet sich hier bereits. Charaktere, so wetterwendisch, unberechenbar und dann doch auch wieder so simpel, wie Menschen sein können. Und eben das Fante-typische Personal, für das seine eigene Familie Modell stand. Da ist die rauhbeinige, proletarisch-laute Vaterfigur, jener hart arbeitende, bitterarme, aber gleichwohl bis zur Macho-Karikatur selbstbewusste Maurer aus den Abruzzen, der mehr schlecht als recht seine Familie ernähren kann, deshalb mit seinem Gott hadert und auch gern mal über die Stränge schlägt. Die stets duldende, katholisch-frömmelnde Mutter, die moralische Instanz der Familie. Und schließlich der Held und Ich-Erzähler – in diesen vier Geschichten ein Junge – der von der Virilität seines Vaters zutiefst beeindruckt und zugleich abgestoßen ist. Er hasst ihn dafür, dass er säuft und rumhurt und der Mutter das Leben zur Hölle macht. Aber natürlich liebt und bewundert er ihn auch aus vollem Herzen. Die existenzielle Verwirrung des Jungen, der zwischen dem mütterlichen Ideal einer verantwortungsbewussten bürgerlichen Existenz und dem prallen rücksichtslosen Leben, wie es der Vater repräsentiert, nicht vermitteln kann, interessiert Fante vor allem.

In „Old Red Devil“, der besten Geschichte des Bandes, erreicht die Konfusion ihren Höhepunkt und kippt dann in reines Grauen. Der Vater des Erzählers bekommt eine Goldmine geschenkt und fährt nun jedes Wochenende mit einem zwielichtigen Kumpan zur Mine. Nie bringt er etwas heim. Seine Frau schöpft Verdacht und besteht darauf, dass der Sohn mitfährt – und ihr Befürchtungen bestätigen sich: Die Mine ist wertlos, die beiden Männer suchen gar nicht erst nach Gold, sondern betrinken sich lieber.

Als wäre das noch nicht genug, taucht auch eine andere Frau auf. Mitten in der Nacht wird der Junge geweckt, und er ertappt die Erwachsenen bei einem flotten Dreier. Völlig außer sich, greift er zum Weihwassser, das seine Mutter ihm für den Notfall mitgegeben hat: „Über ihre Gesichter, ihre Brüste, ihre Schamhaare schüttete ich Weihwasser, trieb den Teufel aus, tötete ihn – und rettete und befreite meinen Vater.“ Aber dieser furiose Exorzismus nützt gar nichts, verstört, „ganz verrückt vor Scham“ rennt er in den Wald, und irgendwann sieht sein Vater nach ihm: „Ich hielt seine kräftige, schwielige Hand. Sie fühlte sich an wie der Huf eines Tieres. Aber es war mein Vater und er konnte das einfach nicht getan haben.“ Der Huf eines Tieres! So leicht lässt sich der Teufel eben nicht austreiben … – Auch aus Fantes Werk nicht. Er hat sie immer wieder dargestellt, diese von keinem Katholizismus zu bändigenden männlichen Teufel.

John Fante: „Eine Braut für Dino Rossi“. Aus dem Amerikanischen von Kurt Pohl und Karl H. Mayer. Maro Verlag. Augsburg 2002, 163 S., 14,90 €