peter unfried über Charts
: Tscharlie heißt jetzt Karl

Der schlimmste natürliche Feind des rauchenden Singles ist das schwangere Nichtraucher-Pärchen. Ein Frontbericht

Als Tscharlie E. letzten Samstag einer Partyeinladung folgte, traf ihn voll der Schlag. Völlig arglos war er in ein Wohnzimmer getreten, die Zigarette in der Hand. Dann der Schock: „Nur Pärchen. Nur schwangere Frauen. Nur Nichtraucher.“ Der Abend war natürlich gelaufen.

E. (39) sieht seither aus wie Ottmar Hitzfeld nach La Coruña. Verständlich. Natürlich kann der (männliche) rauchende Single (MRS) gesellschaftlichen Umgang mit Pärchen nicht vermeiden. Kein Problem: Kinderlose Frauen sind immer noch potenzielle Hechelpartnerinnen, ihre Männer potenzielle Mitbewohner. Und vor allem darf man bei Partys rauchen.

Doch im Angesicht der schwangeren Nichtraucher-Pärchen und seines nahenden 40. Geburtstages musste E. mutterseelenallein im Hausgang paffen. Natürlich kamen ihm da unangenehme Gedanken.

Falls nun einer lahm behauptet, Singletum im mittleren Alter sei doch nicht an Rauchen gekoppelt?

Geschenkt. Fakt ist: Sie existieren. Sie rauchen. Haben mal aufgehört. Als es ernst zu werden schien. Rauchen jetzt wieder – nach dem offiziellen Abbruch der Vorstufe zum schwangeren Nichtraucher-Pärchen. Ich durfte ein Wochenende als stiller, neutraler Beobachter mit ihnen verbringen. Sie sind kreativ, lustig, spielerisch. Sie fahren viel zum Fußball, trinken in ihren großen Limousinen Dosenbier, reden stundenlang engagiert und voller Sachkenntnis über die Vereine, bei denen J. Luginger schon gespielt hat („Schalke. Unfassbar!“), die Vorzüge des Burlwood Ruby Cabernet California („Aldi, aber trinkbar.“), des Golfplatzes („Du, da hat es auch nette Leute?“) oder der neuen Tocotronic („Klingt etwas zu erwachsen.“)

Ob ein Auto drei Liter braucht oder dreißig? Hehe, Hauptsache, ein Aschenbecher war drin. Trotzdem sind sie natürlich politisch voll korrekt. Zum Beispiel sind sie „froh, dass es Ströbele“ gibt. Und sie sind froh, dass es „nur einen Ströbele“ gibt.

Während Paare mit Kindern schlafen oder sich in einem anderen Vorstadium des Todes befinden, nimmt der rauchende Single sein Mobiltelefon, um die Lage zu klären.„Wo bist du?“„Im XY.“„Und?“„Sind ein paar Super-Engländerinnen da.“„Wir sind schon auf dem Weg.“Aaah. Wunderbar.

Wenn nur die schwangeren Nichtraucher-Pärchen nicht wären. Wieder ein Single weniger. Oder sogar zwei. Ein potenzieller Partner, der einen auf die nächste menschliche Entwicklungsstufe hätte bringen können – und einer, der einen dabei begleitet, diesen Prozess noch länger rauszuzögern.

Und wie diese schwangeren Nichtraucher-Pärchen dann auch noch reden. Er am Mobiltelefon: „Hallo, kommst du auch noch im XY vorbei?“ Sie: „Ihr wollt mir doch nur auf die Titten sehen.“

(Ein Verdacht, der teilweise natürlich grundsätzlich nicht unberechtigt ist, hier aber offenbar mit dem Stadium der Schwangerschaft zu tun hat.)

Er (euphorisch zu den daneben sitzenden rauchenden Singles): „Also, die hat wirklich enorm zugelegt.“ (Fuchtelt mit den Händen.) „Unglaublich.“ Die rauchenden Singles stoßen ihren Qualm aus. Das ist doch das Letzte. Diese verdammten schwangeren Nichtraucher-Pärchen! (Hatten nicht nur Sex, sondern dabei offenbar auch noch Spaß. Mist.)

Lothar Matthäus hatte in „ran“ gesagt: „Wer keine Verantwortung übernimmt, kann auch keine Fehler machen.“ Seither grübelte Tscharlie E.: War ein rauchender Single das Gegenteil von Verantwortung übernehmen? War es das, was ihm die furchtbaren, schwangeren Nichtraucher-Pärchen ins Gesicht geschrien hatten? Musste man sich aller Optionen berauben, um eine zu haben?

Natürlich sieht jeder noch so blinde rauchende Single, dass die grundlos optimistischen, schwangeren Nichtraucher-Pärchen in Rekordzeit ins Endstadium durchgereicht werden. Von wegen Super-Sex. Bald schon kann die doch nichts mehr aus ihrer stummen Entregung reißen – außer natürlich einem Pampers-Sonderangebot im Wal-Mart. Aber wehe, es gibt keines: Dann grummeln sie vor sich hin, weil sie nicht nur ihre beschissene Karriere und ihr Leben aufgegeben haben, sondern sogar das Rauchen.

Das tröstet. Ein bisschen. Trotzdem.

Was, wenn das doch besser ist als das ewige Rauchen von morgens bis abends? Glaubt vielleicht einer, es ist schön, gedemütigt darum zu betteln, am offenen Küchenfenster rauchen zu dürfen? Ständig zwischendurch Fisherman’s Friends zu inhalieren, als ob das irgendwas ändern würde? Dann noch das ganze Fußballgerenne. Diese Engländerinnen, stellte sich im XY raus, waren ja natürlich auch nicht soooo super. Außerdem hatten sie grade mit dem Rauchen aufgehört. Sie mussten.

Tscharlie hat eine Entscheidung getroffen. Er nennt sich jetzt Karl.

Fragen zum Single-Rauchen?kolumne@taz.de