Debütantenmaschine kaputt

Finstere Zeiten: Im Literarischen Colloquium am Wannsee war man der Meinung, dass es nach wie vor einfach ist, Autor zu werden, aber immer schwerer, einer zu bleiben

„Literatur? Verkaufen!“ Das klingt gut. Da gehen wir mal hin. Schließlich ist Krise, ist Rezession, Baby, die Zeiten sind finster. Das hat auch das Literarische Colloquium in Berlin gemerkt und insgesamt mit sechs Gesprächsrunden eine Veranstaltungsreihe organisiert, die mit der Diskussion zum Thema „Autor werden ist nicht schwer, Autor sein dagegen sehr“ eröffnet wurde. Wobei bereits der erste Teil der Behauptung nicht bewiesen ist. Mal ganz ehrlich.

Die vier Gäste benehmen sich jedenfalls sehr ordentlich, zu ordentlich fast. Wer sprechen will, streckt zaghaft den Finger Richtung Decke und wartet brav, bis er vom eloquenten Moderator aufgerufen wird. Der gut aufgelegte Autor Jens Sparschuh erntet am meisten Lacher, als er feststellt, dass es kein unerwünschter Nebeneffekt sei, für ein Radiofeature Geld zu bekommen. Was andersherum heißt, dass sogar er nebenher arbeiten muss.

Die Literaturagentin Karin Graf fordert, dass mehr Leseförderung betrieben werden müsse. Vor allem von Seiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das Buch müsse so verkauft werden wie Eis bei der Langnese-Werbung. Auf jeden Fall müsse man gierig auf das Lesen gemacht werden. So wie man in letzter Zeit durch die Medien gierig auf junge, fotogene Autoren gemacht worden sei. Nun, die Welt sei „halt generell medialer geworden“, gibt die Autorin Ursula Krechel zu. Da stimmt auch Kollege Sparschuh zu, der keinen Groll gegen die Popliteraten hegt: „Ich finde es gut, dass man damit Sporthallen füllen kann.“

Dass es mit der Fixierung auf Debüts und junge Autoren im Buchmarkt vorbei ist, findet keiner der Anwesenden weiter tragisch. Inzwischen sei das Debüt kein Markenvorteil mehr, finden alle. Was natürlich auch daran liege, dass es heutzutage kaum mehr sagenumwobene Debütanten gebe, von denen der Literaturbetrieb noch nichts wisse. Das kann auch Karin Graf bestätigen. Im letzten Jahr gab es in ihrer Agentur von den etwa 50 Büchern, die verlegt wurden, nur ganze 3 Debüts. Zwei waren von Autoren, die über 40 Jahre alt sind, und das dritte von einem über 80. Dies als bedrohlich zu empfinden, liegt ihr allerdings fern. Dass noch vor einem Jahr vornehmlich junge Autoren verlegt worden seien, sei einfach nicht richtig. „Es ist nicht anders als früher.“ In den meisten Fällen verkaufe sich erst das vierte oder fünfte Buch eines Autors gut, wiegeln auch die anderen ab. Und was ist mit den hohen Auflagen einzelner Debütanten? Die seinen die Ausname, behauptet Dirk Vaihinger.

Dass es schade ist, dass heute junge Autoren ihre Debüts wieder kaum bei Verlagen unterbringen, dass viele Bücher junger Autoren, die noch vor ein paar Jahren groß beworben worden wären, heute nur noch im Taschenbuchprogramm unter ferner liefen auftauchen, dass viele Verlage Rückzieher machen und wieder auf Altbewährtes setzen, ist leider nicht Thema an diesem Abend im LCB. Vielleicht wird es ja beim nächsten Mal lebhafter. Am 3. Dezember geht es am Wannsee mit einer Veranstaltung zum Thema „Literatur als Party“ weiter. JÖRG PETRASCH