Warum Aschenputtel rückwärts läuft

Woran liegt’s eigenlich, wenn Mütter hierzulande kaum Karriere machen?, fragte die Friedrich-Ebert-Stiftung. Am Staat mit seiner mangelhaften Kinderbetreuung? Oder an den Müttern selbst, die das Kind als bequeme Ausrede entdecken?

BERLIN taz ■ „Aschenputtel“ heißt das Märchen – die Realität heißt „Aschenputtel rückwärts“. Die Prinzessin und der Prinz heiraten, dann bekommt die Prinzessin Kinder und endet schließlich am Herd. Wer oder was ist aber nun wirklich schuld daran?

Diese Frage stellte die Friedrich-Ebert-Stiftung und ließ am Wochenende in Berlin diskutieren, ob „plus Kind“ immer „minus Karriere“ bedeuten muss. Dabei wurde interessanterweise der sowieso immer richtigen Strukturanalyse der diskriminierten Mutter diesmal einiges entgegesetzt.

Strukturell, so betonte die Leiterin der europäischen Akademie für Frauen, Barbara Scheffer-Hegel, haben die Frauen, die Karriere machen wollen, inzwischen einige „schreckliche Verbündete“. Etwa die „fantastische Katastrophe“ der demografischen Entwicklung: 2080 wird die Bevölkerung bereits um die Hälfte geschrumpft sein, wenn der Staat nicht gegensteuert. Mehr Kinderbetreuung könnte sowohl die Geburtenrate heben als auch der Aschenputtel-rückwärts-Geschichte einen neuen Schluss verpassen. Frauen, die wissen, dass das Kind nicht automatisch die Karriere ruiniert, bekommen mehr Kinder – das zeigt etwa der Vergleich mit Frankreich, wo es flächendeckend Kinderkrippen gibt – und eine höhere Geburtenrate.

Dass die Politik das Ausmaß des Problems immer noch unterschätze, so die Publizistin Mechtild Jansen, zeige sich daran, dass die Finanzierung des rot-grünen Ganztagsschulprogramms bisher erst qua Milchmädchenrechnung gesichert ist: Aufschwung plus Hartz-Einsparungen, zwei bislang ungedeckte Schecks.

Doch gegen diese Analyse betonten zwei weitere Diskutantinnen etwas ganz anderes: den subjektiven Faktor. „Akademikerinnen können sich Kinderbetreuung sowieso leisten“, stellte etwa die Kommunikaktionsberaterin Bärbel Boy mitleidslos fest. Die restlichen Mühen müssten sich die Eltern eben teilen. Dafür seien zwei Entscheidungen relevant, so Boy: Frau müsse das richtige (nämlich lukrative) Fach studieren und den richtigen (nämlich kooperativen) Mann wählen. Ihr einziger Vorwurf an die Gesellschaft sei, dass diese den Schulmädchen die Wichtigkeit dieser beiden Entscheidungen nicht klarmache.

Die Journalistin und Publizistin Barbara Bierach („Das dämliche Geschlecht“) setzte noch eins drauf: Während dem Mann allein der Lebensweg „Karriere“ offen stehe, hätten Frauen den „Heldinnenausweg“ Kind und Haushalt. Die Familie sei nicht selten eine bequeme Ausrede, wenn frau sich den Anstrengungen der Karriere nicht länger unterwerfen wolle. Neben den Strukturen auch mal die Akteurinnen und ihre Privatpolitik ernst nehmen – nicht schlecht. HEIDE OESTREICH