Ein Kessel Buntes, aufgewärmt

Das DDR-Fernsehen ist seit elf Jahren abgeschaltet – und wird demnächst 50 Jahre alt. Wer übrig blieb von der alten Genossen, der feierte unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Berlin. Heimliche Beobachtungen von einer „geschlossenen Gesellschaft“

von STEPHAN LISKOWSKY

Vor 50 Jahren schauten einige wenige Ostdeutsche das erste Mal in die Röhre. Die Fernsehgeräte hießen damals noch „Leningrad“, waren klobige Schränke und standen höchstens im Fernsehraum eines Kombinats, wo Werktätige die erste Nachrichtensendung „Aktuelle Kamera“ verfolgen konnten. Fünfzig Jahre später und elf Jahre nach der Abschaltung des DDR-Fernsehens trafen sich rund 1.000 Fernsehleute aus Berlin-Adlershof erstmals wieder. Zuschauer gab es diesmal noch weniger als am Anfang.

„Geschlossene Gesellschaft“ steht an einer Tür unweit der S-Bahn-Station Jannowitzbrücke in Ostberlin. Drehorgelmann Onkel Jon begrüßt schlohweiße Herren mit Hornbrille, dick geschminkte Damen im Leopardenkostüm und Dagmar Frederic, die Stimmungskanone aus der Sendung „Ein Kessel Buntes“. Die Presse ist natürlich nicht eingeladen. Das sei schließlich ein ganz normales Betriebsvergnügen, so der Veranstalter in unverkrampftem DDR-Sprech.

Vertraulichkeit, Mundpropaganda bei den Einladungen. Die Organisatoren vom Paul-Nipkow-Teleclub um DDR-Altentertainer Lutz Jahoda („Mit Lutz und Liebe“) überließen nichts dem Zufall. Und beinahe hätten sie in Sachen Nostalgie noch eins draufgesetzt, als sie die ehemalige Stasikaserne des Wachregiments Dserschinski zum Veranstaltungsort machen wollten. Zu so viel Symbolik kam es dann doch nicht. Der Andrang war zu groß, die Kaserne zu klein.

Das DDR-Fernsehen sitzt heute im Haus am Köllnischen Park auf blanken Holzstühlen im Neonlicht. Das ehemalige politisch-ideologische „Instrument der Partei zur Massenbeeinflussung“, wie es die Offiziellen monströs nannten, ist alt geworden und in Rente. Der junge Rest trägt die zeitlose Vokuhila-Frisur, Schnauzbart und Lederweste. Die Stimmung ist gut, die Wiedersehensfreude groß. Schließlich haben sich die meisten elf Jahre nicht gesehen.

Ehemalige Genossen der Nachrichtensendung „Aktuelle Kamera“ sind eigens für dieses Treffen aus Russland und Frankreich eingeflogen, wo sie heute für RTL oder Euronews arbeiten. Jetzt trinken sie Berliner Pils, essen Buletten mit Sauerkraut und gedenken der Abwicklung des Senders 1991: „Schreckliche Zeit damals. Jeder Kollege dachte nur noch an sich, keiner sagte, was er ab Januar macht. Es konnte ja nicht jeder zum MDR oder ORB“, sagt eine, die heute aus dem Ausland für einen Privatsender berichtet. Ein anderer, heute bei der ARD in Berlin: „Wer fachlich gut war, der ist nach der Wende untergekommen, egal mit welchem politischen Hintergrund. ORB, MDR und auch die Privaten brauchten ja gute Leute.“ Wer jung genug war, der hatte noch weniger Probleme. Der frühere Chef der Jugendsendung „Elf 9“ beispielsweise leitet heute „Die Redaktion“ auf RTL. „Wenn du einen siehst, der braun gebrannt ist, als käme er gerade von den Kanaren, das ist der Bodo“, sagt ein Kameramann.

Weg vom blauen Flimmerfenster sind dagegen Leute wie Klaus Feldmann aus dem Ansagekollektiv der „Aktuellen Kamera“. Das Gesicht der „AK“ war einfach zu bekannt, um irgendwo unterschlüpfen zu können. Nur manchmal tritt er noch beim Cottbusser Regionalfernsehen auf. „Aber mir geht es gut“, sagt Feldmann und rückt seine Goldrandbrille zurecht.

Bussis und Rotkäppchen

Leichter hatten es da, Super Illu und MDR sei dank, die Ost-Unterhaltungsstars, die sich am Fernsehjubiläumsabend allerdings rar gemacht haben. Einzig Dagmar Frederic verteilt immer noch Bussis, nippt am Rotkäppchensekt, und ihre Hose glitzert fröhlich vor sich hin. Spät am Abend bekommt sie Unterstützung von dem in die Jahre gekommenen Roland Kaiser des Ostens: Frank Schöbel mit Lederjacke.

Damit scheint der Abend gerettet. Da stört auch ein Nörgler nicht, ein Wissenschaftsredakteur, heute bei 3sat: „Was hier zum Teil rumläuft, ist erschreckend, 250-prozentige Zensoren. Die waren mehr auf Linie als das Politbüro. Und einige von denen arbeiten immer noch.“