philipp maußhardt über Klatsch
: Ohne Sonne und Yachten

Es gibt keine Playboys mehr. Gunter Sachs war der erste und der letzte deutsche Spielbub von Weltrang

Der Brief meines Vaters muss noch in irgendeiner Schublade liegen, zusammen mit alten Freibadausweisen und bunt bemalten Liebeserklärungen von Mitschülerinnen. Eine Schublade für historische Dokumente. Der Brief, der mein kurzes Leben in Freiheit beendete. Der Schandbrief, mit dem zentralen Satz am Ende: „Daher bin ich nicht mehr bereit, dieses Playboy-Dasein länger zu finanzieren.“ Alle monatlichen Zahlungen wurden mit sofortiger Wirkung eingestellt. Ich, 18 Jahre alt und vor wenigen Monaten erst von zu Hause ausgezogen, musste wieder zu Mama und Papa zurück. Welche Kränkung!

Dabei war ich auf dem besten Weg nach ganz oben. Das großväterliche Sparkonto war bereits geplündert, und der Mercedes auf dem Schulparkplatz machte bei Lehrern wie Mitschülern großen Eindruck. Sofern ich überhaupt noch zur Schule ging. Schließlich waren die Nächte in den Kneipen anstrengend, und die Mädels wollten am Morgen nicht so früh geweckt werden. Mit dem Brief war dann auf einen Schlag alles vorbei. Ich wurde doch kein Playboy.

Viele haben es versucht, aber nur einer hat es geschafft. Wenn wir ehrlich sind, kennen wir keinen außer Gunter Sachs, der diese Berufsbezeichnung in Deutschland wirklich verdient hätte. Zumindest als „Global Player“ ist er einzigartig geblieben, alle anderen spielten in einer anderen Liga. Kreisklasse, allenfalls Landesliga. Wir wollen deshalb eine Gedenkminute einlegen für den Mann, der bis in die heutigen Morgenstunden hinein seinen 70. Geburtstag feierte, „… viel Glück und viel Wohlstand sei auuuch mit dabei“.

Mir war Gunter Sachs immer insofern sehr nahe gestanden, als auf meinem Herkules-Mofa sein Nachname den Motor zierte. 50 Kubikzentimeter. Sachs-Motor, Zweigang. Dieses ständig ölverschmierte und stinkende Gefährt brachte ich am Anfang nie in Einklang mit der Ehrfurcht, in der Tante Irene diesen Namen aussprach: „Gunter Sachs!“, wie „Mondlandung!“ oder „Orchideenblüte!“. Etwas ganz Besonderes eben. Ich wusste damals noch nicht, was ein „Playboy“ war, aber ich bekam eine Ahnung davon.

Mein Vater hat es nie zugegeben, aber seine zur Schau getragene Verachtung gegenüber den „Playboys“ dieser Welt oder Söhnen, die solche werden wollten, rührte wohl aus einer, wie Psychoanalytiker sagen würden, „narzisstischen Kränkung“ her. Klar hätte auch er gerne mit Brigitte Bardot geschlafen, alle hätten das gerne getan. Aber nur Gunter Sachs hat es geschafft. Ein „Herumtreiber“, ein „Angeber“, ein „Taugenichts“. Mir war er als Jugendlicher sympathisch.

Die Antwort, warum Deutschland so wenige echte Playboys hervorgebracht hat, wo doch die finanziellen Voraussetzungen in vielen Fällen gegeben sind, wissen Dieter Thiersch vom Deutschen Wetterdienst und die deutsche Küstenwache. Es mangelt hierzulande sowohl an Sonnentagen wie an malerisch gelegenen Yachtanlegestellen. Und je mehr sich ein Dieter Bohlen auch anstrengt, die mit Gunter Sachs vergreiste offene Stelle anzutreten, es wird ihm niemals gelingen. Playboys sind keine Schmuddelkinder.

Boris Becker? Schon eher. Doch ihm fehlt neben dem ganz großen Geld im Hintergrund auch die Souveränität, mit der Gunter Sachs seine weiblichen Eroberungen der Öffentlichkeit präsentierte. Boris versteckt sich mit jeder neuen Freundin, wird gejagt und gibt schließlich irgendwann zu: „Ja, wie finden uns sympathisch.“ Billig! Mit dem Hubschrauber über Bardots Villa kreisen und Rosen regnen lassen – das hatte Stil.

Uns Deutschen fehlt halt schon das richtige Wort, um diesen uns eigentlich wesensfremden Lebensstil auszudrücken. „Lebemann“, „Spielbub“, „Frauenheld“, „Schürzenjäger“. Nein, es geht nicht, es passt nicht, es will nicht.

Zurück zu Gunter. Was hat er gestern Abend auf seiner Party in seinem Jagdschlösschen Rechenau bei Oberaudorf getrieben? Wer war eingeladen? Und was ist passiert? Kommen seine Söhne Chi-Chi und Halifax ganz nach ihm? „Herr Sachs möchte ganz privat feiern, wir dürfen nicht einmal sagen, wo“, ließ sein Münchner Büro ausrichten. Wie schade. Wo er doch gerade dort zum ersten Mal mit Brigitte Bardot … Aber das ist jetzt 36 Jahre her, und auch Playboys haben das Recht, in Pension zu gehen. Sein „Beruf“ sei sowieso ausgestorben, meinte Sachs einmal selbst: „So tot wie Musketiere und Troubadoure.“ Man sollte ihm ein Denkmal setzen. Auf der Münchner Maximilianstraße oder auf dem Marktplatz von Oberaudorf. Egal. Er hat es verdient.

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