Tiefes Geläuf im wilden Beritt

Antisemitismus-Vorwurf: Wie die ägyptische Seifenoper „Reiter ohne Pferd“ international einen Skandal auslöst

„Wir lassen uns von niemandem Befehle erteilen“

Bei ägyptischen Fernsehzuschauern läuft sie bisher unter dem Prädikat „eher langweilig“. Dabei hat die Seifenoper „Faris belaa Gawaad“ (Reiter ohne Pferd) im Vorfeld ihrer Ausstrahlung im Ramadan für große Furore sorgte. Die 41 Teile umfassende Serie hatte unter jüdischen Gruppen in Israel und den USA zu einem Aufschrei geführt. Deren Vorwurf: Das Werk stelle blanken Antisemitismus dar.

In der Serie wird die Geschichte eines Ägypters erzählt, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Kampf gegen die britischen Kolonisatoren in Palästina anführt. Als er dort ein verstaubtes Exemplar der berüchtigten „Protokolle der Weisen von Zion“ findet, wendet er sich von den Briten ab und konzentriert seinen Kampf auf die Zionisten.

Diese Protokolle beschreiben den angeblich echten, in Wahrheit aber fingierten Plan einer jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung. Historiker glauben, dass die Protokolle im zaristischen Russland vom Geheimdienst verfasst wurden, um den Antisemitismus weiter anzuheizen. Auch in Deutschland spielten sie eine wichtige Rolle als Beweisstück für eine angebliche jüdische Weltverschwörung.

Die in den USA ansässige jüdische Antidifamierungsliga reagierte prompt und erklärte vor der Ausstrahlung der ersten Folge, dass die Fernsehserie ein weiterer Beweis für antisemitistische Hetze in den ägyptischen Medien darstelle. Auch das State Department meldete sich zu Wort. Dessen Sprecher, Richard Boucher erklärte, dass staatliche Fernsehstationen keinerlei Programme ausstrahlen sollten – ob fiktiv oder auf wahren Begebenheiten beruhend – die rassistisch seien. Die New York Times zeigt sich in einem Editorial erschrocken darüber, „dass die Ideen der Protokolle in Teilen der arabischen Welt Fuß fassen“.

Der ägyptische Informationsminister Safwat Scharif bescheinigte dagegen, dass die Serie keinerlei antisemitisches Material beinhalte. Die Protokolle würden neben anderen historischen Dokumenten als dramatisches Mittel verwendet, erklären die Macher. Für den Hauptdarsteller, den ägyptischen Schauspieler Muhammad Sobhi sei das ganze keine Nachrichtenminute wert. Die Serie basiere nicht auf den Protokollen und diskutiere auch nicht die Frage, ob diese authentisch seien.

Vielfach reagierten die ägyptischen Medien auch verärgert über den Angriff von außen. „Wir lassen uns von niemandem Befehle erteilen“ ließ auch der ägyptische Fernsehchef Hassan Hamed verlauten.

Doch es melden sich auch kritische Stimmen über die Serie in Ägypten zu Wort. Abdel Wahab al-Messiri, der sich durch seine achtbändige arabische Enzyklopädie mit dem Titel: „Juden, Judentum und Zionismus“ einen Namen machte, bezeichnete die Protokolle als „unethisch“. Außerdem würden „sie von keiner ernsthaften historischen Forschung auch in der arabischen Welt für voll genommen“.

Für den Chef des Al-Ahram-Zentrums für Strategische Studien, Abdel Monem Said, hat der „Reiter ohne Pferd“ eine ganz andere Dimension. Das Problem an der neuen ägyptischen Fernsehserie sei, dass sie eine Kontroverse auslöse und wieder einmal international die arabische Glaubwürdigkeit unterwandere. Statt über die Fakten des israelisch-palästinensischen Konflikts, bedauert Said, werde jetzt wieder über Sinn und Unsinn der „Protokolle der Weisen von Zion“ debattiert.

Auf Kritik stößt die neue Serie auch bei dem bekannten ägyptischen Kolumnisten Salah Eissa, der darin einen weiteren billigen Versuch sieht, nationale Probleme, wie das palästinensische, und die Gefühle der Araber oberflächlich kommerziell auszubeuten. „Da wird bei dem Publikum der Eindruck erweckt, es leiste Widerstand gegen die israelische Besatzung, wenn es sich eine idiotische Serie ansieht“, sagt Eissa. Palästina und der Irak seien Fragen der nationalen Befreiung, die mit Ernsthaftigkeit und Wahrheit behandelt werden müssten. Aber genau das sei es, so argumentiert Eissa, was die arabischen Regierungen nicht täten.

KARIM EL-GAWHARY