Roma ziehen ins PDS-Asyl

30 jugoslawische Flüchtlinge besetzen die Parteizentrale der Sozialisten und fordern Abschiebestopp und Bleiberecht. Innensenator Körting (SPD) winkt ab, hat aber Mittwoch einen Termin für sie frei

von STEFAN ALBERTI
und JÜRGEN SCHULZ

„Abschiebungen von Roma müssen sofort aufhören.“ Über die ganze Breite der Fassade hängt das bemalte Stoffbanner an der PDS-Bundeszentrale am Rosa-Luxemburg-Platz. Im Raum gleich neben dem Eingang sitzen und stehen rund dreißig Roma, die akut von Abschiebung bedroht sind. Gehen wollen sie erst, wenn ihre Forderung erfüllt ist. Auf dem Tisch liegt noch das Fax, das sie gerade verschickt haben: „Wir, Roma aus Berlin, haben heute das Karl-Liebknecht-Haus besetzt.“ Die PDS, seit langem auf ihrer Linie, soll sich auch als Regierungspartei für sie stark machen. Verhandeln aber wollen sie mit Innensenator Ehrhart Körting (SPD), der Bleiberecht und Abschiebestopp zusichern soll.

Das Büro des gewünschten Gesprächspartners liegt nur zwei U-Bahn-Stationen entfernt in der Klosterstraße. Ein sofortiges Gespräch aber lehnt Körting ab: „In zwei Tagen ja, aber nicht in einer Drucksituation, wie es jetzt gewesen wäre.“ Mittwochmittag will Körting drei Roma bei sich in der Innverwaltung empfangen, ein generelles Bleiberecht schließt er schon jetzt aus.

Seine Antwort liegt noch nicht vor, als die Besetzer in den PDS-Räumen Banner von einer Demonstration am vergangenen Freitag aufspannen. Schon da haben sie Bleiberecht verlangt. Hintergrund ist ein neues Rückführungsabkommen zwischen Deutschland und Jugoslawien, das nach Angaben der Grünen in Berlin rund 5.600 Roma betrifft.

„Alle, die hier sind, könnten sofort abgeschoben werden“, sagte Flüchtlingsbetreuerin Renate Gemkow. Für die Roma ein Horror: „Wir haben in Jugoslawien keine Wohnmöglichkeit mehr. Es gibt für uns keinen sicheren Ort – und es ist Winter.“ Lügen nennen sie Darstellungen, nach denen die Lage dort sicher ist.

Das Abgeordnetenhaus hat Körting schon im September aufgefordert, bei seinen Innenministerkollegen eine Sonderregelung zu erwirken: Langjährig in Deutschland lebende Roma sollten dauerhaft bleiben dürfen. Dafür wollen sich SPD und PDS auch laut Koalitionsvertrag einsetzen. Dem will Körting bei der Ministerkonferenz am 6. Dezember nachkommen. „Langjährig“ konkretisiert die Innenverwaltung mit „mehr als sechs Jahre“.

Nicht nur die Roma, auch die Besetzter dieses Tages sehen dieses Verfahren durch die jüngste Praxis unterlaufen. „Wir haben erwartet, dass zumindest bis zur Innenministerkonferenz von allen Abschiebungen Abstand genommen wird“, sagte PDS-Landesvize Udo Wolf. So argumentieren auch die Grünen, die wie Wolf der Inneministerkonferenz wenig optimistisch entgegensehen. Ihr Innenpolitikexperte Volker Ratzmann erinnert daran, dass Berlin laut Ausländergesetz selbst einen sechsmonatigen Abschiebestopp verhängen könnte.

Körting hingegen sieht zwar eine „besondere historische Verpflichtung“ gegenüber den einst von den Nazis verfolgten Roma. Vor mehr als zehn Tagen schon will er mit der Ausländerbehörde vereinbart haben, dass jene, die unter künftige Regeln fallen könnten, nicht abgeschoben werden. Einen generellen Abschiebestopp aber lehnt er wie ein allgemeines Bleibrecht ab.

Um in diesen Tagen immerhin bei der PDS bleiben zu können, müssen sich die Roma nicht gerade anketten wie Greenpeace-Aktivisten auf einer Ölplattform. Nicht nur, weil Parteiobere wie PDS-Chefin Gabi Zimmer Verständnis zeigen, Polizeiaktionen ablehnen und die Roma „Gäste“ nennen. Denn organsiert hat die Besetzung Gemkow, die Flüchtlingsberaterin – und die ist in dieser Funktion beim PDS-Landesvorstand angestellt.

Sie zeigt eine dicke Mappe mit Unterlagen der Ausländerbehörde. Es ist ihr unbegreiflich, wie ein Rom abgeschoben werden kann, obwohl vom Arzt eine schwere Krankheit mit „häufig tödlichem Ausgang“ bescheinigt wird. Nicht allein die fehlende Infrastruktur im Nachkriegsjugoslawien lässt die Roma gegen eine Rückkehr kämpfen. Einer hält in der PDS-Zentrale eine Zeitung aus Serbien vom gleichen Tag hoch. Ein Foto ist darin zu sehen, von einer Parole auf einer Häuserwand. „Zigeuner, verschwindet aus Leskovica“, übersetzt er. Zwei andere unterhalten sich über ihre schwierige Lage, klagen über Staatenlosigkeit und fehlendes Wahlrecht in Deutschland wie in Jugoslawien.

Mittwoch soll das der Senator hören. „Das ist schon was. Aber wir planen weitere Aktionen“, sagt Roma-Beraterin Gemkow. PDS-Chefin Zimmer ist da konkreter und geht von einer weiteren Parteibesetzung aus: „Es soll wohl nicht die einzige bleiben.“