Lachen über Hihitler!

Erst nach längerer Auslandstournee kommt „Goebbels und Geduldig“ in die ARD (20.15 Uhr). Dabei traut sich die Nazi-Groteske nicht mal, lustig zu sein

von ARNO FRANK

Dürfen sich Deutsche über das Dritte Reich lustig machen? Ist es witzig, wenn Joseph Goebbels den Fahrer seiner Kolonne anweist: „Geben Sie Gas, der Führer wartet“? Lässt sich überhaupt in Deutschland vor dem Hintergrund des Holocaust über Nazi-Schergen scherzen? Da waren sich selbst die Verantwortlichen beim öffentlich-rechtlichen SWR unsicher. Vor einem Jahr schon war „Goebbels und Geduldig“ im Kasten, doch die Produzenten schickten ihre ebenso teure wie anspruchsvolle Groteske erst mal auf Tournee. Und nun, nachdem der Film auf Festivals in New York und Kanada wohlwollend aufgenommen wurde, bekommen die Deutschen das heiße Eisen endlich zu sehen.

Was den Plot betrifft, so ist „Goebbels und Geduldig“ ein locker-eklektischer Remix aus Charlie Chaplin („Der große Diktator“) und Ernst Lubitsch („Sein oder Nichtsein“). Wegen seiner frappierenden Ähnlichkeit mit dem Rivalen Joseph Goebbels hält sich SS-Chef Himmler den Juden Harry Geduldig. Es kommt zur Verwechslung, und Geduldig gibt den Goebbels, während der echte Reichspropagandaminister in der Zwangsjacke landet. Beide werden sie vom hervorragenden Ulrich Mühe gespielt, und auch sonst ist der Film mehr als hochgradig besetzt: Katja Riemann als Eva Braun, Eva Mattes als Magda Goebbels, Götz Otto, Katharina Thalbach, Tilo Prückner, Jürgen Schornagel als Hitler oder Dagmar Menzel als Geduldigs Geliebte – Letztere bekannt aus der umjubelten Verfilmung der Klemperer-Tagebücher, bei der ebenfalls Kai Wessel Regie führte. Trotzdem rührt er nicht, der Film, weder zum Lachen noch zum Weinen. „Er ist zwar in sich mutig, aber er ist sozusagen auf drei Viertel der Strecke auch wieder stehen geblieben“, sagte unlängst der Hauptdarsteller der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Besessene Idioten

Dass die ganze Strecke – nicht nur drei Viertel – auch in Deutschland begehbar ist, hat Achim Greser mit seinen Comics vorgemacht. Oder Walter Moers, den die Washington Post sogar mit Pulitzer-Preisträger Art Spiegelman („Maus“) verglich. Aber Comic ist Comic und abendfüllender Film ist abendfüllender Film. Also zeigt „Goebbels und Geduldig“ zur besten Sendezeit Nazis als gefährlich-dümmliche Knallchargen, ferngesteuert von ihren machthungrig-gebärfreudigen Frauen. Hitler und Goebbels erscheinen als die bedrohlichen, neurotischen, besessenen Idioten, die sie wohl waren. Und wenn, in der wohl stärksten Szene, Geduldig vor zwölf Zuhörern die Frage nach dem „totalen Krieg“ deklamiert, dann hat das einen didaktischen, keinen kathartischen Effekt – Goebbels’ Duktus und Methode, die Stimme als Schlaginstrument zu gebrauchen, ist gewiss grotesk. Komisch ist sie nicht.

Dürfen sich die Deutschen nun über das Dritte Reich lustig machen? Aber natürlich! Köstliche Witze kursierten schon im Dritten Reich, wie Hitler-Biograf Joachim Fest einmal betonte: Nur danach gibt’s keine Scherze mehr, komisch.

„Für junge Leute, die nach 1970 geboren wurden“, sagt Gabi Schlattmann, Sprecherin der öffentlich-rechtlichen Produktionsfirma, „ist der Nationalsozialismus so weit weg wie die Aggressionen Napoleons.“

Die Frage ist also nicht, ob die Deutschen lachen dürfen, sondern ob sie es können. Ein so verklemmter, lauwarmer und auf allen Ebenen recht hilflos lavierender Film wie „Goebbels und Geduldig“ zeigt exemplarisch, warum sie es nicht können.

Nietzsche, selbst kein Spaßvogel, meinte: „Der Witz ist das Epigramm auf ein verstorbenes Gefühl.“ Lustigerweise aber ist die Scham zu lebendig, als dass wir darüber lachen könnten.