Ohne Oma kein Geld

Arbeitsamt kritisiert Kita-System. Jugendämter warten auf Formulare. Dienstanweisung legt Fristen für Kinder nichtberufstätiger Eltern fest

von KAIJA KUTTER

Das Hamburger Arbeitsamt hat die im Kita-Gutscheinsystem geplante Ausgrenzung von Arbeitslosen als „äußerst unglücklich“ kritisiert. Sprecher Manfred Klostermann: „Das ist im Sinne eines funktionierenden Arbeitsmarktes nicht förderlich und wird zur Vermehrung von Langzeitarbeitslosen führen.“ Wie berichtet, sollen Eltern, die ihren Job verlieren, den Kita-Platz räumen. Lediglich 3- bis 6-jährige Kinder behalten einen 4-Stunden-Gutschein.

Wollen Eltern aber Arbeitslosengeld beziehen, müssen sie laut Sozialgesetzbuch (SGB) III dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Wer wegen seiner Kinder gar nicht oder nur teilweise arbeiten kann, bekommt gar kein oder weniger Arbeitslosengeld – egal, wie viel er vorher eingezahlt hat.

„Es kann nicht sein, dass Eltern hier Geldansprüche verlieren“, sagt die Mitarbeiterin eines der bezirklichen Jugendämter, die sich hinter den Kulissen für eine Regelung zwischen Stadt und Arbeitsamt stark machten. Doch im Amt für Kindertagesbetreuung sah man dies offenbar gelassen. Das SGB schreibt nämlich keine staatliche Betreuung vor, eine private tut‘s auch.

Indes plant das Amt ein kleines Zugeständnis. Arbeitslose, die schon mal einen Kita-Platz hatten, bekommen sofort einen neuen Gutschein, wenn sie wieder Arbeit finden. „Das ist keine Garantie für den alten Platz“, räumt der stellvertretende Kita-Amtsleiter Bernd Heinrich aber ein. Um diesen zu suchen und das Kind wieder einzugewöhnen, können Wochen verstreichen.

„Ein Kita-Platz muss sofort gewährleistet sein, sonst gilt die Person nicht als verfügbar“, sagt dagegen Manfred Klostermann. Bräuchten die Eltern Zeit für die Kita-Suche, müsste für den Übergang eine private Betreuung beispielsweise durch die Oma gewährleistet sein. Klostermann: „Die Regelung wird Arbeitsaufnahmen vereiteln.“

Derweil laufen in den Bezirken die Telefone heiß, weil Senator Rudolf Lange am Dienstag die Eltern aufforderte, sich jetzt schon anzumelden. Es fehlen zwar noch die nötigen Formulare, aber dennoch werden Anträge von Eltern angenommen, die binnen der nächsten zwölf Monate einen Krippen-, Hort- oder Elementar-Kita-Platz haben wollen. Eltern von Kita-Kindern, die im Sommer zur Schule kommen und einen Hortplatz brauchen, haben übrigens Vorrang auf der Hort-Liste. Stellen sie einen Antrag, zählen die Jahre, die ihr Kind bereits in der Kita war, als Wartezeit mit. Dies gilt nur für 5- bis 8-Stundenplätze, nicht für Halbtagskindergärten.

Dies geht aus einer „Dienstanweisung“ hervor, die der taz hamburg vorliegt. Wie berichtet, werden mit dem Gutscheinsystem alle Kinder mit „nachrangigen Bedarfslagen“ (Arbeitssuche, sonstiger sozialer Bedarf), ihren Anspruch verlieren. Die Dienstanweisung sagt nun, wie dies geschieht.

Die Schonfrist: Generell gilt eine Übergangsfrist von zwölf Monaten ab dem letzten Bewilligungsbeginn vor dem Systemwechsel. Günstigstenfalls könnte dies vom 31. Juli 2003 bis zum 31. Juli 2004 gelten. Der größte Teil der Plätze wurde jedoch gerade erst bewilligt und bis zum 31. 7. 2003 befristet. Die Schonfrist gilt also allenfalls für zwei bis drei Monate im Herbst 2003.

Krippe (0-3 Jahre): Kinder, deren Eltern Erziehungsurlaub nehmen, dürfen auf einem 6-Stunden-Platz bleiben, sofern sie zweieinviertel Jahr und älter sind. Die Plätze aller anderen Kinder mit „nachrangigem Bedarf“ werden zu unterschiedlichen Zeitpunkten bis zum Juli 2004 auf sechs Stunden gesenkt.

Elementarkinder (3-6 Jahre): Nach Ablauf der Übergangsfrist am 31. Juli 2004 kommen ausschließlich die neuen Kriterien zur Anwendung. „Nachrangige Bedarfslagen“ werden auf vier Stunden reduziert.

Hort (6 - 12 Jahre): Bis Ende der Übergangsfrist gibt es zwei- und dreistündige Hortplätze für „Nachrangige“, danach nicht mehr.

Die Dienstanweisung enthält übrigens einen Hoffnungsschimmer für Arbeitslose und MigrantInnen. Sofern sie sich weiterqualifizieren oder einen Sprachkurs belegen, sind sie Berufstätigen gleichgestellt.