Reingewaschen

Des Widerspenstigen Zähmung: Mit seinem Spielfilm „8 Mile“ reicht ein geläuterter Eminem dem US-Mainstream die Hand und wird dafür gefeiert

Es war ja nicht die HipHop-Community, die von Eminems Hautfarbe irritiert war

von TOBIAS RAPP

Irgendetwas in Amerika muss sich verändert haben, wenn der beste Golfspieler schwarz und der beste Rapper weiß ist. Er ist mittlerweile fast schon zu einem geflügelten Wort geworden, der Satz des Komikers Chris Rock. Doch seit vor zwei Wochen der Eminem-Film „8 Mile“ in den US-Kinos angelaufen ist, scheint Amerika endlich seinen Frieden mit einem seiner kontroversesten Künstler der vergangenen Jahre gemacht zu haben. „American Idol, Eminem für alle“, titelte etwa das Magazin der New York Times, und die Village Voice lieferte gleich die Begründung dazu: „Class sticht Race aus“.

„8 Mile“ erzählt eine Woche aus dem Leben des fiktiven Rappers Rabbit Smith, der von Eminem gespielt wird, der genau wie Eminem aus Detroit kommt und es als Weißer in der schwarzen Rapwelt zu etwas bringen will. Die titelgebende 8 Mile ist jene Straße, die das schwarze Inner City Detroit von seinen weißen Vororten trennt. Rabbit lebt auf der Suburbia-Seite, ist allerdings genauso arm wie seine schwarzen Kumpels, schließlich hat er gerade seine Wohnung verloren und wohnt wieder im Wohnwagen seiner Mutter (die sieht nicht nur aus wie Kim Basinger, es ist Kim Basinger).

Tagsüber schuftet er in einer Fabrik, abends zieht er um die Häuser, um sich regelmäßig auf HipHop-Battles wiederzufinden, wo immer zwei Rapper gegeneinander antreten, 45 Sekunden Zeit bekommen, sich gegenseitig zu beschimpfen, und wo das Publikum durch Gejohle entscheidet, wer gewonnen hat. So kommt es, wie es kommen muss: Nachdem Rabbit Smith die erste Battle schmählich verloren hat, rappt er beim großen Showdown alle Konkurenten an die Wand, bis ihnen buchstäblich nichts mehr einfällt. Der Saal jubelt ihm zu, ihm gehört die Nacht und die Stadt. Doch anstatt zu feiern, schlurft er einsam aus dem Bild, 30 Millionen verkauften Platten entgegen.

Nun ist „8 Mile“ alles andere als ein origineller Film. Nie ist er auch nur ansatzweise so aufregend wie etwa die Eminem-Videoclips, nie versucht er Eminems Cartoon-Lyrics in adäquate Bilder zu übertragen. Das eigentlich Erstaunliche ist, dass Rabbit Smith zwar ein begnadeter Rapper ist, aber in nichts der Figur ähnelt, die jahrelang amerikanische Moralapostel den Untergang des Abendlands beschwören ließ. Der echte Eminem stand vor Gericht, weil er jemandem mit einem Pistolenknauf niedergeschlagen hatte. Ein Kumpel, der mit einer Knarre herumfuchtelt, wird von Rabbit angeschrieen, er solle den Unfug lassen. Der echte Eminem brüstete sich damit, mehr Drogen zu schlucken als das Publikum von sieben Goa-Raves, Rabbit zieht nicht einmal an einem Joint. Eminem galt als homophob, Rabbit hilft einem schwulen Kumpel aus der Patsche. Seine Mutter, erklärte Eminem, sei für ihn „tot“, weil sie ihn jahrelang vernachlässigt habe. Rabbits Filmmutter sieht zwar ein wenig angeschlagen aus, aber immerhin schenkt sie ihrem Sohn ihr Auto, und zum Dank vermöbelt Rabbit ihren Freund, als der sie angreift.

Sei’s drum, so ist das nun mal im Mainstreamkino, könnte man sich jetzt denken und sich darüber freuen, dass auch in Hollywood die Erkenntnis angekommen zu sein scheint, dass Armut nicht nur ein schwarzes Gesicht hat und dass es auch in einem Genre wie HipHop Rassismus gibt. Was muss sich Rabbit nicht alles für Beleidigungen anhören: Der Ausbeutung einer schwarzen Kunstform wird er bezichtigt, als „Elvis“ und als „Vanilla Ice“ bezeichnet und obendrein noch als „Nazi“, bloß weil seine Haare blond sind.

Doch so einfach ist es eben nicht. Nicht nur, weil HipHop eben nicht gleich Ghettomusik ist – man denke nur an RunDMC, De La Soul, LL Cool J oder P. Diddy, die allesamt in Wohngegenden mit gepflegten Vorgärten aufgewachsen sind. Das Problem von „8 Mile“ und seines überwältigenden Erfolges (er hat bislang rund 100 Millionen Dollar eingespielt) liegt auf einer anderen Ebene. Es war schließlich nicht die HipHop-Community, die in den vergangenen Jahren ein Problem mit Eminems Hautfarbe hatte, es waren die hauptsächlich weißen Eltern- und Schwulenverbände. Ein weißer Rapper, der sich homophob und misogyn gab, erschien ihnen ungleich gefährlicher als ein schwarzer. Dadurch, dass „8 Mile“ die Vita von Rabbit Smith von all diesen Elementen säubert, bleiben nur noch die miesepetrigen schwarzen Papierpanther übrig, die schlecht begründete Einwände gegen den Aufstieg ihres weißen Konkurrenten vorzubringen haben. Für alle anderen wird einmal mehr der amerikanische Traum nachgestellt, dass man es aus der Gosse an die Spitze schaffen kann, wenn man nur will, hart genug arbeitet und nicht die ganze Zeit über Rassismus lamentiert.

Nun muss man nicht gleich so weit gehen wie Richard Goldstein in der Village Voice, der Eminem in einem der wenigen Verrisse mit George W. Bush verglich, beide seien schließlich Populisten. Vielleicht reicht es festzustellen, dass das Mainstream-Amerika zwar seinen Frieden mit Eminem gemacht hat, dass dieser dafür jedoch einen hohen Preis zahlt: seinen künstlerischen Bankrott.