Im Wurmloch der Gefühle

Idiotische Verzückung in makellosen Gesichtern: Neil LaButes Kostümfilm „Besessen“ über Liebe und Tod

Neil LaBute in James-Ivory-Land: Es hätte das Ende des Kostümfilms bedeuten können. So wie „In the Company of Men“ und „Your Friends and Neighbours“ das Ende der modernen Großstadtbeziehungskomödie gewesen sind, die Antithese zu „Harry und Sally“, Woody Allen mit Zyanid versetzt.

„Traue niemandem, der eine Woche bluten kann, ohne zu sterben“, lautete damals das Credo dieser männlich-dominierten Single-Kultur, und LaBute, der unverbesserliche Anti-Romantiker, inszenierte kalt lächelnd einen durch und durch grandiosen Abgesang auf die menschliche Beziehung an sich.

In „Besessen“ blitzt der alte LaBute-Geist nur einmal kurz auf, als Gwyneth Paltrow den Dichter Randolph Henry Ash einen „Softcore-Misogynisten“ nennt. Der Rest des Films verschwindet in einem Wurmloch der unverdaulichen Gefühle. LaBute reißt es zwischen zwei Epochen auf: dem viktorianischen England und dem New York der Prä-11.-September-Ära.

Und „Softcore“ ist das richtige Stichwort. Denn der Kampfgeist von LaButes früheren Filmen – ein amerikanischer Kritiker hat das mal sexual warfare genannt – hat sich in „Besessen“ ins komplette Gegenteil verkehrt. Eine idiotische Verzückung steckt in den Historienbildern, was gut zu den makellosen Gesichtszügen von Paltrow und LaBute-Homeboy Aaron Eckhart passt: Deren Weißbrotigkeit geht einem ziemlich schnell auf den Geist. Schön auszusehen, mag ja noch angehen, aber dann noch so harmlos zu sein, sollte unbedingt bestraft werden.

Paltrow und Eckhart spielen zwei Akademiker, die sich in die Privatleben zweier viktorianischer Dichter vertieft haben. Bei ihren Recherchen stoßen sie auf eine geheime, amouröse Verbindung der beiden Dichter. Je länger die beiden die Spuren der geheimen Liasion verfolgen, desto mehr verstricken sie sich – Überraschung! – in ihren eigenen Gefühlen. Wir befinden uns übrigens immer noch in einem Neil-LaBute-Film.

Ganz abgesehen davon hat LaBute aus der Romanvorlage von A. S. Byatt eine relativ bilderstarke Textur von einer Liebesgeschichte entwickelt, deren Evidenz sich fast nur noch in Symbolen, Objekten und Metaphern fassen lässt. So schafft LaBute etwas zu bedeutungsvolle Übergänge für ein überlebensgroßes Thema. Er zeigt Kunst, Liebe, Tod als Perpetuum mobile und führt zugleich vor, wie sich das eine in dem anderen erschöpft. Bekanntes LaBute-Terrain eigentlich. Nur der Tonfall ist entschieden zu versöhnlich.

ANDREAS BUSCHE

„Besessen“. Regie: Neil LaBute. Mit Gwyneth Paltrow, Aaron Eckhart, Jeremy Northam u. a., USA 2002, 103 Min.