Werbung auf Polnisch

Das Ethno-Marketing entdeckt nach den Türken auch Berliner Polen und Russen als Zielgruppe. Vorreiter ist die US-amerikanische Firma Western Union, die für Geldtransfer in die Herkunftsländer der Einwanderer wirbt

Das fällt auf. „Pewny przekaz pieniężny to nasza mocna strona“ steht da auf einer Plakatwand auf dem Regionalbahnsteig am Bahnhof Alexanderplatz. „Eine sichere Geldüberweisung ist unsere starke Seite.“ Verantwortlich für die Werbung auf Polnisch ist das US-Unternehmen Western Union. Das wirbt nicht nur mit niedrigen Überweisungsgebühren, sondern bietet auch noch eine Hotline an, bei der man für 4,6 Cent/Minute alles über den angebotenen Service erfahren kann – auf Polnisch natürlich.

Ethno-Marketing, also auf nichtdeutsche Zielgruppen zugeschnittene Werbekampagnen, gibt es schon lange in Berlin. Bislang richtete es sich allerdings vorwiegend an ein türkisches Publikum. Mit ihrer Plakatwerbung auf deutschen Bahnhöfen zeigt die Western Union, dass nun auch das osteuropäische Publikum als Zielgruppe entdeckt wird. Neben der Werbung auf Polnisch wirbt die US-Firma auch auf Russisch und Serbokroaten um Kunden.

Natürlich ist das beworbene Angebot ein Nischenprodukt, das sich vor allem an in Deutschland lebende Ausländer richtet, die einen Teil ihrer Einkünfte und Ersparnisse nach Polen oder Jugoslawien überweisen möchte. Für solcherlei Transaktionen muss man, das hat die Reisebank errechnet, immer noch teures Geld ausgeben. Wer 100 Euro ins Ausland überweist, zahlt im EU-Durchschnitt 24,09 Euro an Gebühren. Das Geld selbst wird dabei erst nach durchschnittlich 2,48 Tagen gutgeschrieben. Die Western Union, mit der die Reisebank zusammenarbeitet, verlangt dagegen nur 14,83 Euro, und das Geld ist in Warschau, Belgrad oder Petersburg schon in wenigen Minuten verfügbar.

Ungeachtet solcher Nischenangebote ist Ethno-Marketing für Osteuropäer, aber auch für andere Produkte im Kommen, heißt es beim Onlineanbieter www.marketingcliff.de. Das betreffe vor allem die Werbung auf Polnisch und Russisch. Interessant würden diese Zielgruppen vor allem dann, wenn man zu den in Deutschland lebenden 300.000 Polen und 250.000 Russen die jeweiligen Aussiedler dazurechnet. Schließlich gehörten auch die 1,5 Millionen zugewanderten polnischen 1,12 Millionen russischen Aussiedler zur jeweils ethnischen Zielgruppe.

In Berlin gehören demnach etwa 130.000 polnischsprachige und 115.000 russischsprachige Zuwanderer zur Zielgruppe. Sie wurden bislang aber lediglich in ihren eigenen Medien angesprochen. „Die Werbung in den ethnischen Printmedien ist langsam aber erschöpft“, heißt es bei der Agentur MS&L in Oberursel bei Frankfurt, die die Kampagne für die Western Union entwickelt hat. „Die Tendenz geht nun auch in den Outdoorbereich und zum Sponsoring.“

Doch es gibt auch Skeptiker. So hat die Frankfurter Agentur TET, die seit langem empirische Studien zum Thema Ethno-Marketing herausgibt, bislang keine aussagekräftigen Zahlen über die polnische Zielgruppe. „Unsere Kunden wissen, dass es diese Möglichkeit gibt“, sagt TET-Mitarbeiterin Wegjahn, „aber bislang machen davon nur wenige Gebrauch.“ Wegjahn gibt zu bedenken, dass für manche Kunden mit einer an dieses Publikum gerichteten Outdoorwerbung auch Probleme verbunden sein könnten. „Das lesen ja auch die Deutschen, und da fürchten viele Firmen um einen Imageverlust.“

Dort, wo das Zielpublikum allerdings nicht nur statistisch, sondern auch ganz real vor Ort ist, werden solche Bedenken immer geringer. In Frankfurt (Oder) zum Beispiel werben das Spitzkrug-Multicenter und das Einkaufscenter HEP nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Polnisch um Kunden. Das Ethno-Marketing reicht dabei nicht selten sogar bis nach Polen. „Die Anzeigen, die wir für Karstadt Sport machen, werden regelmäßig in der Gazeta Lubuska abgedruckt, sagt Rita Fuhrmann. Fuhrmann betreibt zusammen mit einem deutschen und einem polnischen Kollegen in Frankfurt (Oder) und Słubice die Agentur Piktogram, die sich auf deutsch-polnisches Ethno-Marketing spezialisiert hat.

Werbung für Berlin in Polen macht inzwischen auch die Berliner Flughafengesellschaft BFG. Vor allem der Flughafen Tegel wird mit einem polnischsprachigen Flyer beworben, in Stettin, aber auch in Posen. In Tegel selbst wie auch auf den Berliner Bahnhöfen sucht man nach polnischen Hinweisschildern allerdings vergeblich. Dabei müsste die Kampagne einer privaten Firma wie der Western Union den Verantwortlichen eigentlich zeigen, dass es dafür längst einen Markt gibt. UWE RADA