vorlauf
: Jesus Handke

„Der schwermütige Spieler“, (Arte, 23.10 Uhr)

Peter Handke hat angeblich seit zehn Jahren kein Fernsehinterview mehr gegeben. Wie ein scheues Reh sitzt er nun am Rande einer Waldlichtung und blinzelt in die Kamera. Vermutlich bereut er es bereits, dass er dem Literaturkritiker und Dokumentarfilmer Peter Stamm ein längeres Gespräch zugesagt hat: Peter Handke, der heute sechzig Jahre alt wird, meidet bekanntlich das Licht der Öffentlichkeit.

Das war nicht immer so. Das Archivmaterial aus den Sechzigerjahren, das Hamm für sein Porträt „Der schwermütige Spieler“ ausgegraben hat, zeigt einen selbstbewussten Popliteraten, der Tischkicker spielt, die Stones hört und dem Zeitgeist gern auch mal in den Hintern tritt: „Entweder müsst ihr genau sein oder sexy. Beides seid ihr nicht“, erklärt er zwei studentenbewegten Frauen im Hörsaal einer Universität – und strahlt anschließend sein Publikum an.

„Das war meine erste Starzeit“, sagt Peter Handke heute.

Weiterer Ruhm sollte folgen. Die legendäre Titelseite der Bunten, auf der Handke zusammen mit seiner Lebensgefährtin, der Schauspielerin Katja Flint, zu sehen war, taucht in dem Fernsehbeitrag leider nicht auf. Handkes Privatleben, das sind vor allem finstere Kindheitserinnerungen: „Das war ja wie al-Qaida“, beschreibt er seine Schulzeit auf einem katholischen Internat.

So etwas zitiert sich gut: Peter Handke ist ein erfolgreicher Schriftsteller, der schöne und zarte Bücher geschrieben hat, der aber darüber hinaus vor allem mit Einlassungen zu Gott und der Welt und Jugoslawien bekannt geworden ist – ein Medienstar.

Auch für Peter Hamm darf Handke noch einmal auf die Verschwörung aus „Geld und Macht“ schimpfen, die den Westen in den Krieg gegen Serbien getrieben hat.

Handke schimpft gern auf „diese Scheißwelt“, und Jesus fühlt er sich darum auch insbesondere in seinen Flüchen verbunden: „Ich kann das alles nachvollziehen – oder vorvollziehen“, so sein Kommentar zum Neuen Testament. Hier also scheint das Alterswerk auf. Peter Handke bereitet sich auf seine Rolle als Religionsstifter vor. KOLJA MENSING

(Wiederholung am 12. Dezember, SWR, 22.30 Uhr)