Zocker will sein Geld zurück

Über eine Million Euro will ein Spielsüchtiger im Bremer Spielcasino verloren haben. Jetzt fordert er die ersten 76.000 Euro zurück. Das Casino wehrt sich mit Händen und Füßen

Sauftouren mit dem Direktor, opulente Essen: „Ich bin da der Krösus gewesen“

Fünf Zentimeter. Klaus S. formt die Strecke mit Daumen und Zeigefinger. So hoch etwa war der Stapel 1.000-Mark-Scheine, den der inzwischen bankrotte Geschäftsmann Anfang Juli 1999 im Kassenraum des Bremer Spielcasinos in Jetons eintauschte. 2,1 Millionen Mark, über eine Million Euro, hat der spielsüchtige 53-Jährige nach eigenen Angaben in zwei Jahren in der Böttcherstraße verspielt. Einen ersten Teil davon, den angeblich erlittenen Verlust von drei Casinobesuchen zwischen März 1999 und Juli 2000, fordert S. jetzt zurück – insgesamt über 76.000 Euro. Die Spielbank, so argumentierte er gestern vor dem Bremer Oberlandesgericht, hätte wissen müssen, dass er spielsüchtig war und ihn nicht blindlings ins Verderben rennen lassen dürfen.

„Wir können Gäste sperren, wenn der Ruin droht“, sagt Casino-Direktor Klaus Hillermann. Bei S. sah man dazu anscheinend keine Veranlassung – obwohl dessen Spielproblem in Mitarbeiterkreisen bereits diskutiert wurde. S. hatte sich zudem aus eigenem Antrieb bei mehreren Spielbanken selbst sperren lassen – unter anderem bei der Spielbank in Bad Zwischenahn, die wie das Bremer Spielcasino zur Westdeutsche Spielbanken GmbH gehört. Das Bremer Casino ließ den Zocker trotzdem an den Roulette-Tisch.

Suchtforscher Gerhard Meyer von der Bremer Universität kritisiert unterdessen den mangelnden Spielerschutz. Während in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zumindest ein Teil der Casino-Einnahmen für Suchtprävention verwendet wird, geht die Spielbank-Abgabe in Bremen teils direkt in das Säckel des Finanzsenators, teils an die Stiftung Wohnliche Stadt.

Auch die Croupiers seien bisher nur zum Teil darin geschult, Spielsucht zu erkennen,sagt Meyer. Allzu oft wichen die Casino-Betreiber zurück, wenn sich Spieler gegen ein Hausverbot zur Wehr setzten. Meyer fordert spezielle „Spielerschutz“-Mitarbeiter in den Spielbanken, die bei Anzeichen von Spielsucht auf die Betroffenen zugehen sollten.

Im Fall S. scheute das Bremer Casino dagegen offenbar keine Mühe, seinen „Hochspieler“ und Stammkunden bei der Stange zu halten. Mehrfach habe ihn der Casino-Direktor zum Essen eingeladen, sei nachts um vier mit ihm auf Sauftour durchs Viertel gezogen, sagte S. gestern vor Gericht. Ohne Karte habe er das Casino durch den Seiteneingang betreten dürfen, Roulette-Tische seien extra für ihn geöffnet worden: „Ich bin da der Krösus gewesen.“

„Wir machen da nicht mehr als andere Branchen auch“, sagt hingegen der Pressesprecher der WestSpiel-Casinos, Frank Mühr.

Mit seiner Rückforderung war S. bereits im Sommer in erster Instanz vor dem Bremer Landgericht gescheitert. Die Richter wiesen damals nicht nur seine Rückzahlungsansprüche ab, sondern gaben darüber hinaus der Gegenklage des Casinos statt. Der heutige Glücksspiel-Gegner habe kein Recht mehr, weitere Geldforderungen an die Bremer Spielbank zu stellen.

Wie schon damals könnte der Spielsüchtige auch diesmal an einem einfachen Hindernis scheitern: Nur wenn er überhaupt nachweisen kann, dass er an den angegebenen Tagen gespielt hat und dabei die von ihm angegebene Summe verloren hat, wird das Gericht weiter prüfen, ob er etwa spielsüchtig und daher nur eingeschränkt geschäftsfähig war. Oder ob die Bremer Spielbank ihn trotz Anzeichen von Spielsucht pflichtwidrig ungehindert weiter hat spielen lassen.

An den betreffenden Tagen sei S. überhaupt nicht im Casino gewesen, beteuerte gestern der Rechtsanwalt der Spielbank. Aufzeichnungen über das Spielverhalten, Gewinne und Verluste einzelner Spieler, gebe es ebenfalls nicht – auch nicht über den „Hochspieler“ S.

Der behauptet das Gegenteil: Eine frühere Mitarbeiterin des Casinos könne bezeugen, dass so genannte „Tagesaufzeichnungen“ angefertigt würden. Und die müsse die Spielbank dann auch herausrücken. Ob die Zeugin aussagen darf, entscheidet das Gericht am 16. Januar.

Armin Simon
/ Jan Kahlcke