Imam zieht bei Bolle ein

Wo am Görlitzer Park einmal ein Supermarkt brannte, will der „Islamische Verein für wohltätige Projekte“ eine Moschee bauen. Doch es gibt Streit: Hinter dem Verein soll eine Sekte stecken

von ASTRID SCHNEIDER

Birol Ucan hat sich einen Spickzettel gemacht, auf den er hin und wieder schielt. Jedem, der hier ist, antwortet er das Gleiche: Alles Verleumdung. Ausrufungszeichen. Die anderen wollen uns isolieren. Wir sind sunnitischen Glaubens. Komma. Wir gehen den gemäßigten Weg. Punkt. Birol Ucan verteidigt sich. Die Vorwürfe gegen ihn lauten: Das Liberale ist nicht echt und er sei kein Vereinsmitglied, sondern Anhänger der Habaschi-Sekte.

Dabei sieht Birol Ucan ganz harmlos aus, in schwarzen Socken führt er durch die holzvertäfelten Gänge im dritten Stock einer stillgelegten Fabrik. Friedlich übt eine Kinderschar die Aussprache arabischer Worte. Hinter einer Theke wird Suppe gekocht. Ins Hinterhaus der Skalitzer Straße 33 in Kreuzberg kommen Männer und Frauen, die an die Schriften glauben, die der „Islamische Verein für wohltätige Projekte“ lehrt.

Seit der Gründung 1996 nutzt der Verein die Räumlichkeiten der Omar-Moschee, die es hier schon seit den 80er-Jahren gibt. „Die Moschee ist nicht mehr schön“, sagt Vorstandsmitglied Ucan, „in den Fluren ist es kalt.“ Es sei Zeit, umzuziehen. Zeit, um den Hinterhof gegen ein modernes Vorderhaus einzutauschen. Sieben Stockwerke hoch, vier schmuckverzierte Minarette auf dem Dach, die Fassade am liebsten mit viel Glas. So stellen sich der deutsche Architekt und der Vereinsvorstand den Neubau an der Ecke Manteuffelstraße und Skalitzer Straße vor. Direkt am Görlitzer Bahnhof gelegen.

Seit der Verein vergangene Woche seine Pläne bekannt gab, melden sich Zweifler an der Glaubwürdigkeit der Gruppe zu Wort. Diese leiste unter dem Deckmantel eines Vereins Missionararbeit für die Habaschi-Sekte. Der Vorwurf: Habaschi lehre nicht nach den im islamischen Glauben akzeptierten Lehren. Diese Behauptung kursiert nicht nur im Internet. Der Journalist Ahmed Senyurt und andere Kenner der Szene meinen, die Köpfe des Vereins mit der Habaschi in Verbindung bringen zu können. Birol Ucan weist das zurück: „Wir benutzen den Begriff nicht. Wir sind der Islamische Verein für wohltätige Projekte und nicht der Habaschi e. V. Wir sind keine Sekte, wir lehren nach den anerkannten sunnitischen Gelehrten.“ Ucan sagt aber nicht, es bestehe gar keine Verbindung. Stattdessen verteidigt er sich mit Gegenvorwürfen: „Die Muslimbruderschaften, die Wahhabiten, die Gruppe der Hizbut-Tahir mögen nicht, dass wir die Menschen über ihr wahres Gesicht aufklären. Sie sind zerstörerisch, destruktiv, radikal und terroristisch.“

Kreuzbergs grüner Baustadtrat Franz Schulz entscheidet eigentlich nur nach dem Baurecht, gibt aber zu: „Wir haben natürlich Informationen eingeholt, wer diese Leute sind, und ich war froh, dass sie gemäßigt sind.“ Der Verein halte mit seinem Antrag die öffentlich-rechtlichen Anforderungen ein und habe somit Baufreiheit. „Als ich den Entwurf gesehen habe, war mein erster Eindruck: Das sieht aus wie ein Warenhaus in Istanbul.“ Die Moschee ist nach hinten versetzt, charakteristisch passe dies somit in die Baulücke, die der 1987 abgebrannte Bolle-Markt hinterlassen hat.

Schulz erhofft sich weniger Ärger bei dieser Moscheeplanung als bei der des Mevlana-Vereins von vor zwei Jahren am Kottbusser Tor. Eine kleine, zweistöckige Version wurde erlaubt, Mevlana wollte dann aber die doppelte Variante. „Zu groß und statisch nicht machbar. Wir mussten das ablehnen“, sagt der Baustadtrat. Seitdem seien keine neuen Vorschläge unterbreitet worden. Burhan Kesici, Vorstandsmitglied der Islamischen Förderation Berlin, des Dachverbands, in dem der Mevlana-Verein organisiert ist, erklärt warum: „Klein lohnt sich nicht, bei uns müssen schon mindestens 1.000 Leute Platz finden.“

Vergleichsweise wenig Platz, für etwa 250 Leute, soll die geplante Gebetshalle der Moschee des Islamischen Vereins für wohltätige Projekte bieten. Zurzeit kämen zum Freitagsgebet etwa 200 Menschen. An einer Wand im Gebetsraum in der alten Omar-Moschee hängt ein großes Stück Stoff, auf dem jeder die gemalte Vision der neuen Moschee sehen kann: einen gläsernen Bau.

Ganz so transparent gibt sich der Verein bei der Finanzfrage nicht. Eine ungefähre Zahl der getreuen Anhänger des Vereins kann Ucan nicht benennen. Die Leute kämen und gingen. Das Haus sei offen für jeden, der ihren Glauben teile. Fraglich ist, wie allein durch ihre Geldspenden, wie Ucan behauptet, die 10 Millionen Euro für die Baukosten der neuen Moschee zusammenkommen sollen. „Ich glaube, die Leute sehen, dass es etwas Gutes ist. Es wird nicht einfach, aber jeder gibt etwas.“