Von „Homolulu“ zu „Kweer“

Vor zwanzig Jahren öffnete das schwule Zentrum Rat und Tat seine Pforten, überstand Bombendrohungen, Radwegepläne und öffnete sich schließlich auch Bremens Lesben

1982, das war das Jahr, in dem die Republik einen Kanzler Kohl bekam, die Zeit von Karottenhosen und neuer deutscher Welle. Und: Das Gründungsjahr des lesbisch-schwulen Zentrums „Rat und Tat“ in Bremen.

Am 3. August 1982 wurde es offiziell: Die Gründungsversammlung des Zentrums fand statt. Politischer Zündfunke dürfte der schwule „Homolulu“-Kongress im Juli 1979 in Frankfurt (Main) gewesen sein. Die Teilnehmer forderten damals „Unterstützung für eigenständige Schwulenzentren, schwule Beratungsstellen und Gesundheitsorganisationen“, so Jörg Hutter, der lange im Rat und Tat-Verein im Vorstand gearbeitet hat.

Am 6. Dezember 1982 wurde diese Forderung in Bremen Wirklichkeit: Das Rat und Tat öffnete seine Pforten Auf den Häfen 103/104.

Das beherrschende Thema: Coming Out-Geschichten und Diskriminierung, die vor allem auf dem Paragrafen 175 des Strafgesetzbuches beruhte. Der stellte männliche Homosexualität unter Strafe, war bis 1969 in der Nazi-Version gültig und wurde erst 1994 endgültig abgeschafft. Viele Schwule wagten es kaum über ihr Schwulsein zu sprechen.

Das Zentrum mit dem Café „Homolulu“ bot von Anfang an Beratung – rein ehrenamtlich, nach dem Prinzip „Schwule beraten Schwule“. Im Mai und September 1984 bekam das Schwulenzentrum üble Post: Hakenkreuz-Postkarten mit Bombendrohungen: „Wir werden vorbeikommen mit ein paar Brandbomben und Splittergranaten.“ Es blieb bei den Drohungen.

1985, Henning Scherf war Sozialsenator, flatterte dem Projekt die Kündigung ins Haus. Das Gebäude sollte für einen Radweg abgerissen werden, Ersatzräume waren aber nicht in Sicht. Schließlich konnte das Rat und Tat unbehelligt im Juni 1985 in das heutige Domizil an der Theodor-Körner-Straße ziehen, das der Verein mit Hilfe eines zinslosen Darlehens seitens der Stadt, normaler Kredite und reichlich privater Unterstützung kaufte.

Inhaltlich beherrschte die achtziger Jahre vor allem ein Thema: AIDS. Um verantwortungsvoll und kompetent beraten zu können, wurden 1986 hauptamtliche BeraterInnen eingestellt. „Das war eine deutliche Professionalisierung“, sagt Reiner Neumann, seit 1989 im Rat und Tat. Mit der Anstellung von Annette Mattfeld 1994 fanden auch Lesbengruppen dort eine Heimat. Mattfeld initiierte Veranstaltungen und die heute noch betriebene monatliche Lesbenkneipe „Elledorado“, im mittlerweile „Kweer“ getauften Café.

Die politisch kämpferische Haltung der Anfangsjahre sei verschwunden, kommentiert Neumann. „Viele wollen einfach nur normal leben.“ Seit der Paragraf 175 gestrichen ist und sich Schwule und Lesben verpartnern können, scheinen die Ziele verschwunden. Braucht es in Zeiten von Quoten-Lesben in Daily Soaps und einem schwulen regierenden Bürgermeister noch ein Beratungszentrum? Für Neumann ist klar: „Der Bedarf existiert: In unsere Jugendgruppe kommen jeden Samstag 20 Jugendliche. Die Coming Out-Probleme haben sich kaum geändert. Einziger Unterschied: Das Coming Out geht heute schneller.“ ube

Heute Abend große Geburtstagsgala im „Modernes“ ab 21 Uhr (Einlass), Eintritt: acht Euro, ermäßigt sieben.