: Weihnachtsgeschenke und ökonomische Krise

Wieder was gespart!

An diesen Weihnachten spiele ich das erste Mal seit 25 Jahren wieder ernsthaft mit dem Gedanken, all den Lieben selbst gemalte Bilder zu schenken. So wie früher. Werde mich einfach am Heilignachmittag beim Fernsehen hinhocken und, zackzack, ein Schiff für die Freundin malen, ein Haus mit Baum und Kuh für die Mutter und ein Auto für den Freund. Wenn man angeben will, kann man dem Haus auch noch echte Watte als Dampfwolken auf den Schornstein kleben und ein paar Sonnenblumenkerne auf den Weg. Fertig ist die Laube. Wieder was gespart.

Ich kenne wirklich niemanden, der im Moment nicht arm ist oder zumindest ärmer als sonst. Was soll also das enervierende Im-Buchladen-Herumgedrücke, um viel zu viele Euros loszuwerden und den Geschmack doch nicht zu treffen? Gestern hörte ich, wie eine verzweifelte blonde Frau in einer Buchhandlung zu der Verkäuferin sagte: „Ich weiß, dass er ‚Die Asche meiner Mutter‘ gelesen hat und auch das Nachfolgebuch. Was empfehlen Sie mir also?“ Die Verkäuferin tat so, als würde sie in Gedanken alle existierenden Harte-Kindheit-in-Irland-Bücher durchrattern und sagte dann: „Es gibt da eins von Eva Herrmann …“ Der wird sich wundern, der Bekannte der Kundin.

Dann schon lieber eines der inflationär als periphere Armutserscheinung entstandenen Gutscheinbücher. In Berlin gibt es seit einiger Zeit fast in jeder Zeitung Halber-Preis-Bons und neuerdings auch noch ein ganzes Buch, nur mit 2-for-1-Restaurant-Coupons. Der mit dem billigeren Essen muss nichts löhnen. Finde ich sinnvoll und freue mich darauf zuzuschauen, wie unsympathische Mitte-Juppies in teuren Kanzler-Restaurants demnächst auf ihre charmante Begleiterin Eindruck machen, indem sie den Kellner mit einem Gutschein herbeiwedeln.

Nina Ruge ist neulich vorweihnachtlich in New York shoppen gegangen, zusammen mit Heidi Klum, von der ich nicht genau weiß, was sie ist, ich glaube, sie ist Model oder tanzt oder verkauft Aerobicvideos. Die beiden stöberten unverschämt in irgendwelchen Sixth-Avenue-Läden herum, in denen kleine Schnäppchen so viel kosten wie meine Wohnung bis März. Dann kam der Megamultitrillionär Donald Trump und unterhielt sich mit „my dear friend Nina“ und „my dear friend Heidi“ über Weihnachten und darüber, dass er sich gar nichts wünsche, denn das Wichtigste seien „Glück und Gesundheit“. Und spätestens da dachte ich, ich sei in einem Michael-Moore-Film gelandet. Ich werde Trump mal mailen und mir von ihm zu Weihnachten eine Augen-Laser-Operation wünschen. Das ist doch Gesundheit!

Ein Bild malen ist immer noch netter, als eine CD zu brennen. Viel besser ist es aber noch, jemandem einfach einen Autoschlüssel zu schenken. Muss ja kein Auto dahinterstecken. Allein der Gedanke zählt. Einfallsreicher jedenfalls als das teure Stück Papier von der Nasa mit dem Zertifikat, dass der Quasar No. 12.45 642323 B jetzt amtlich auf den Namen Heike getauft worden ist. Umgekehrt hätte man ja auch nicht gern, wenn die Erde einen außerirdischen Namen erhielte und irgend so einem mandeläugigen grünen Männchen zu Weihnachten hinterhergeschmissen würde.

Mein bester Freund hasst, Geschenke zu bekommen, und ist schon einige Male an seinem Geburtstag oder an Weihnachten weggefahren, um dem zu entgehen. Ich habe mich davon nicht abhalten lassen und ihm meist trotzdem, dann eben zu spät, etwas geschenkt, auf das ich fürsorglich ein viel zu hohes Preisschild geklebt habe. Das macht ihn fertig. Er hat solche Angst vor dem Beschenktwerden, weil er nicht weiß, was er zurückschenken soll. Und um ihn noch mehr zu quälen, sage ich ihm oft extra nicht, was ich mir wünsche. „Weißt du, mir fehlt ja nichts“, lüge ich dann und gucke zu, wie er sich windet, „wenn dir meine kleine Gabe gefallen hat, dann ist das schon Geschenk genug für mich.“ Das gibt mir das warme Gefühl, meine eigene Oma zu sein. Omas knibbeln ja nie die Preisschilder ab und wünschen sich kaum etwas. Außer der Oma von Donald Trump vielleicht, wer weiß. JENNI ZYLKA