letzte ausfahrt brooklyn
: Im Paradies der Mode- und Lifestylemagazine

Gallagher hat sie alle

Außer einem Schildchen an der Fassade eines Hauses im East Village deutet nichts auf ihn hin. Doch so leicht man ihn übersieht: „Gallagher’s Paper Collectibles“ ist ein Laden, der nicht nur in New York ziemlich einzigartig sein dürfte. Wenn Modedesigner über der Aufgabe verzweifeln, wieder einmal die Hose neu erfinden zu müssen, wenn die Pflicht zum Relaunch einen Zeitschriftenmacher die Haare raufen lässt: Bei „Gallagher’s“ finden sie, was sie brauchen: die gesamte Geschichte der Mode und des Zeitschriftendesigns der vergangenen hundert Jahre und einen Besessenen, der weiß, wo was zu finden ist.

Michael Gallagher ist Anfang vierzig, freundlich, in einer alterslosen Weise gut aussehend und von einer Unruhe, wie sie wahrscheinlich nur besessenen Sammlern eigen ist, die man inmitten ihrer Sammlung nach ihrem Tun und Lassen befragt. Seit er ein Kind ist, so sagt er, sammelt er Fotos und Magazine.

Im Eingangskorridor des Ladens hängen signierte Avedon-Fotos und die Decke ist mit den Titeln alter Vogue-Ausgaben tapeziert. In zwei großen Räumen lagert schließlich das Herzstück von „Gallagher’s“: das Zeitschriftenarchiv. Sämtliche Vogue-Hefte, alle Ausgaben der Life, des New Yorkers, von Vanity Fair und Harper’s Bazaar, aber auch alte Gartenzeitschriften, Architektur- und Fotomagazine aus aller Welt, obskure Titel wie die Flair, ein amerikanisches Lifestylemagazin aus den Fünfzigern, oder die deutsche Twen. Fein säuberlich sind sie in Plastikumschläge verpackt und in Regale gestapelt.

Der Keller, in dem sich „Gallagher’s Paper Collectibles“ befindet, sollte ursprünglich nur die ausufernden Massen von Gallaghers Zeitschriften und Fotobänden aufnehmen, doch Anfang der Neunziger entschloss Gallagher sich, seine Sucht von nun an durch Dealen zu finanzieren. „Das, was hier im Laden steht, das sind nur zehn Prozent von dem, was ich einkaufe. Den Rest behalte ich. Ich hab ein Haus upstate in den Catskills, das nenn ich immer meine Fashionfarm, das ist bis oben hin voll mit Bildbänden, Fotos, all dem Kram. Gerade lass ich mir die Scheune ausbauen.“

Wo bekommt man denn all die Sachen her, vom Flohmarkt? Gallagher macht eine abwehrende Handbewegung: Er kauft nur ganze Sammlungen. „Im Prinzip ist es so: Ich kaufe Sammlungen von berühmten Leuten, und in gewisser Weise bleiben die Sachen bei berühmten Leuten. Gerade richte ich zum Beispiel für Marc Jacobs eine Bibliothek ein.“

Überhaupt Berühmtheiten. Wenn Gallagher erst einmal anfängt, Namen fallen zu lassen, ist er kaum noch zu stoppen. Alle kommen sie zu ihm. Alle. Designer wie Donna Karan (die vor einiger Zeit 150.000 Dollar bei ihm ließ), Anna Sui, Hedi Slimane, die Leute von Gucci und Calvin Klein, die Art-Direktoren aller Magazine, die etwas auf ihr Design halten, aber auch Fotografen wie Bruce Weber oder Richard Avedon, junge Models und alte Models, und wenn Catherine Deneuve in der Stadt ist, kommt sie vorbei, um sich ihre Fotos von früher anzuschauen. Und im Grunde ist Gallagher selbst eine kleine Berühmtheit, bei den meisten Fashionshows sitzt er in der ersten Reihe.

Er steht auf und holt einen Fotoband von Henri Cartier-Bresson hervor, der mit kleinen Bleistiftzeichnungen vollgemalt ist. „Cartier-Bresson schickte mir mal eine Liste, wo und wann Bilder von ihm erschienen sind. Ich hab dann vier riesige Kisten voller Material zusammengestellt und bin nach Paris gefahren. Als ich bei ihm ankam, hat er mich nur angeschaut und gesagt: ‚Whiskey.‘ Dann haben wir Stunden zusammengesessen, getrunken, und er hat mir Widmungen in meine Bücher hineingeschrieben und kleine Zeichnungen hineingemalt.“

Doch so stolz Gallagher auf all die Celebrities ist, so sehr er es genießt, Art-Direktoren zu helfen, die auf allen vieren durch den Laden kriechen – des Öfteren, so sagt er, sehne er sich nach den alten Zeiten. „Willy Fleckhaus – war das ein brillanter Designer. Das beste Design gab es in den Sechzigern. Wahrscheinlich weil alle stoned waren die ganze Zeit.“ TOBIAS RAPP

Gallagher‘s Paper Collectibles, 126 East 12th St., im Keller. www.vintagemagazines.com