Anschubfinanzierung aus der Mafia-Kasse?

Im Prozess gegen einen engen Vertrauten des italienischen Premiers belastet ein Zeuge auch Silvio Berlusconi schwer

ROM taz ■ Ein schönes Lob bekam der Berlusconi-Intimus Marcello Dell’Utri am Dienstag im gegen ihn laufenden Prozess, in dem er als Unterstützer der Mafia angeklagt ist; „ernsthaft und zuverlässig“ sei er. Unschön war allerdings die Quelle des Lobs: nicht der Chef, dem Dell’Utri erst die zum italienischen Marktführer aufgestiegene Werbefirma Publitalia und dann die Partei Forza Italia aufgebaut hatte, äußerte sich da, sondern der Mafia-Zeuge Antonino Giuffrè, bis zu seiner Verhaftung im April letzten Jahres Nummer zwei der Cosa Nostra und rechte Hand von Bernardo Provenzano, dem Boss der Bosse.

Giuffrè, der mittlerweile ins Kronzeugenprogramm aufgenommen worden ist, belastete neben Dell’Utri auch Berlusconi selbst schwer. Der ist zwar in Palermo nicht angeklagt – aber in dem laufenden Verfahren geht es nicht zuletzt um die Rolle, die die Mafia unter Vermittlung Dell’Utris bei Berlusconis unternehmerischer Karriere gespielt haben soll. Die Staatsanwaltschaft zeigte sich bisher schon überzeugt, dass zumindest ein Teil des Berlusconi in den Siebzigerjahren aus unbekannten Quellen zugeflossenen Startkapitals von der ehrenwerten Gesellschaft stammte.

Diese Sicht der Dinge erhielt jetzt durch Giuffrès Aussage neue Nahrung. Giuffrè nahm eine dubiose Episode aus Berlusconis frühen Jahren auf. Der Mailänder Unternehmer hatte in den 70ern in seiner Villa mit Vittorio Mangano einen „Stallknecht“ beschäftigt, der zugleich Mafiaboss war – und der Berlusconi von dem aus Palermo stammenden Dell’Utri empfohlen worden war. Beide hatten über die Jahre immer wieder erklärt, vom Hauptberuf des Pferdeburschen nichts gewusst zu haben.

Giuffrè lieferte jetzt eine andere Version. Unter dem Vorwand, Mangano zu besuchen, hätten sich immer wieder diverse Mafiabosse bis hin zur damaligen Nummer 1, Stefano Bontade, bei Berlusconi die Klinke in die Hand gegeben. Der Kontakt sei über Dell’Utri gelaufen, „der der Mafia nahe stand und zugleich einen optimalen Zugang zu Berlusconi darstellte“. Der Kontakt zu Dell’Utri soll Giuffrè zufolge auch in den 90er-Jahren nicht abgerissen sein, als Berlusconi zum Politiker mutierte. Mafiosi seien wie Fische, und die Politik sei ihr Wasser, erklärte Giuffrè blumig.

Als die Bosse aufgrund des Zusammenbruchs der Christdemokratie auf dem Trockenen saßen, hätten sie von 1993 an in Forza Italia ihren neuen Partner ausgemacht. „Dell’Utri war der Verbindungsmann zu der neuen politischen Kraft, die damals in Italien entstand, also zu Forza Italia.“ Aus dem Munde des obersten Bosses selbst, Bernardo Provenzanos, will Giuffrè erfahren haben, dass die Mafia über Dell’Utri vor den Wahlen von 1994 präzise Zusagen erhielt: Beseitigung der Sonderhaftbedingungen für die Bosse, Schluss mit der Beschlagnahmung ihrer Reichtümer, Abschaffung des Kronzeugenschutzes. Da hätten die Mafiosi nicht widerstehen können: „Alle zu Forza Italia“, lautete ihre Parole.

Dell’Utri zeigte sich empört über diese Aussagen und insinuierte sofort, der Zeuge sei offenbar ferngesteuert. Der Angeklagte verwies darauf, dass Forza Italia keine der angeblich gemachten Versprechungen zugunsten der Mafia eingalten habe. In schönster sizilianischer Zweideutigkeit ging der sonst so Berlusconi-loyale Dell’Utri aber sogleich auf Distanz zu seiner Partei und erklärte, die kürzlich erst vom Parlament definitiv festgeschriebenen verschärften Haftbedingungen für Mafiosi stellten einen Fall von Folter dar – und zitierte als Folteropfer ausgerechnet den im Gefängnis verstorbenen „Stallknecht“ Vittorio Mangano.

Ein Signal an die „ehrenwerte Gesellschaft“? Die hatte in den letzten Wochen ebenfalls nicht mit Botschaften gespart: Vor Weihnachten hatten „Fußballfans“ während eines Spiels in Palermo ein Transparent enthüllt mit der für den Ministerpräsidenten recht peinlichen und perfekt mit Giuffrès Version von den angeblich gemachten Versprechungen übereinstimmenden Aufschrift: „Weg mit der Sonderhaft – Berlusconi hat Sizilien vergessen“. MICHAEL BRAUN