Ein praktisches Scharnier

Sozialsenatorin weiht Familien-Interventions-Team ein. Sechs Mitarbeiter sollen 600 Fälle sortieren und im Auge behalten. Amtsvormund gleich mit im Team

Die Stadt Hamburg darf nicht „elterliche Erziehungsentscheidungen, die nicht ihren eigenen Vorstellungen entsprechen, durch Entscheidungen von Vormündern ersetzen lassen, die von vornherein feststehen“. Zu diesem Fazit war der Jugendhilferechtsexperte Christian Bernzen jüngst bei der Begutachtung des Heim-Konzepts von Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram gekommen. Die CDU-Politikerin stellte gestern mit dem Familien-Interventions-Team (FIT) den entscheidenden Baustein für ihr Heim-Konzept vor und zeigte sich von Bernzens Warnung recht unbeeindruckt.

Sechs Mitarbeiter, angeleitet von dem ehemaligen Beratungslehrer Michael Thiem (55) und der Psychologin Silvia Kristian (36), bekommen künftig alle Namen der bei der Polizei auffälligen Jugendlichen in ihr Büro an der Hamburger Straße gemailt. Gleich mit im Team: der Amtsvormund aus dem Jugendamt Altona, Alice Rubertus (48). Sie hat ein eigenes Zimmer und gilt als Abteilung für Vormundschaften. „So ist das auch in den Jugendämtern organisiert. Das FIT ist Hamburgs 8. Jugenamt, nur kleiner“, verteidigte Behördenreferent Dirk Bange das Konzept.

Neun Meldungen gibt es bereits. Das FIT erwartet 1000 im Jahr, die sich auf 600 Jugendliche beziehen. Sollte eine „unmittelbare Kindeswohlgefährdung“ vorliegen, weil es sich beispielsweise um eine Straftat wie Raub handelt, ist das Team zuständig. Es macht innerhalb von fünf Tagen einen Hausbesuch und prüft, so Schnieber-Jastram, „ob zur Not auch gegen den Willen der Eltern eine stationäre Erziehungsmaßnahme erforderlich ist“. Ist dies der Fall, übernimmt Amtsvormund Rubertus das Sorgerecht. Die übrigen Fälle werden an die sieben Bezirksjugendämter abgegeben, allerdings sollen diese dem FIT nach vier Wochen, sechs Monaten und einem Jahr jeweils berichten, was aus diesen Kindern wurde.

Viel Arbeit für ein kleines Team. Bange und Schnieber-Jastram dämpften Erwartungen, „die Feuerbergstraße und das FIT könnten alle Probleme lösen“. Es sei, so die Senatorin, eine „spannende Frage“, ob es so tatsächlich gelänge, kriminelle Karrieren zu verhindern. Und möglicherweise stelle sich auch bald heraus, dass das FIT „dringend mehr Personal braucht“. Erstmal kostet es 350.000 Euro im Jahr.

Christian Bernzen bleibt bei seiner Kritik. Für ihn ist das FIT das „entscheidende Scharnier“, das dafür sorgt, dass das Heim in der Feuerbergstraße überhaupt gefüllt wird. Denn geschlossene Unterbringung kann nur durch die Sorgeberechtigten beantragt werden. Im Grundgesetz sei „aus gutem Grund“ eine Trennung von privater und staatlicher Verantwortung vorgeschrieben. Bernzen: „Amtsvormünder darf es nur im Notfall geben.“ Die Idee, dem Gericht den Vormund gleich mitzuliefern, sei zwar „unglaublich praktisch“, aber rechtswidrig. Die Angliederung der Amtsvormünder an die normalen Jugendämter sei im Grunde ebenfalls rechtswidrig. Aber beim FIT sei der Rechtsverstoß „intensiver“. KAIJA KUTTER